Flucht aus Oxford
Kopf behalten, doch ein Orangensaft schien ihr dann doch übertrieben. Jon hatte einen sehr großzügig bemessenen Whisky vor sich stehen. Kate hoffte inständig, dass er sich für den Heimweg ein Taxi rufen würde.
»Vermutlich fragen Sie sich, warum ich Sie treffen wollte«, begann Jon, nachdem sie sich an einem kleinen Tisch niedergelassen hatten, auf dem frische Blumen und eine rosafarbene Lampe standen.
»In der Tat«, entgegnete Kate und nippte langsam an ihrem Gespritzten. Sie hatte nicht die Absicht, mehr als ein Glas zu trinken.
»Das war ein lustiger Abend, finden Sie nicht?«
»Wirklich lustig«, bestätigte Kate und fragte sich, wann Jon endlich auf den Punkt kommen würde.
»Wirklich, ich freue mich darüber, eine so hübsche junge Dame kennengelernt zu haben«, sagte er, als ob er sich keinesfalls eine solche Gelegenheit entgehen lassen dürfte. Am liebsten hätte Kate sich umgewandt und nachgesehen, ob er vielleicht mit jemand anderem redete. Sie und hübsch? Und jung war sie auch nicht mehr unbedingt.
»Nett ist es hier«, sagte sie, weil ihr nichts Originelleres einfiel. Doch Jon Hope-Stanhope sah nicht aus, als ob er gesteigerten Wert auf Originalität legte.
»Ich fürchte, dass Hilary und Aubrey Ihnen ein falsches Bild von mir gegeben haben.« Es war der längste zusammenhängende Satz, den Kate bisher von Jon gehört hatte.
»Welches Bild?«, fragte sie.
»Wegen dieses Mädchens.«
»Donna?« Sie hatte sich bereits gefragt, ob er auf Donna hinauswollte.
»Richtig. Sie haben mich ihretwegen gefoppt, aber Sie wissen ja, wie alte Freunde manchmal sind.«
»Prächtig eben«, kopierte Kate Jons Sprechweise.
»Ich muss zugeben, dass ich von Zeit zu Zeit die Gesellschaft einer jungen Frau sehr zu schätzen weiß«, schwadronierte Jon.
»Natürlich«, sagte Kate.
»Selbstverständlich in aller Unschuld.«
»Selbstverständlich.«
»Diese Donna war ein ausgesprochen hübsches, junges Ding.«
»Dann kannten Sie sie also?«
»Ich hole mir nur eben schnell noch einen Drink. Wie weit sind Sie mit Ihrem? Sie haben ja kaum daran genippt! Trinken Sie! Nicht, dass ich Ihnen zu weit voraus bin!«
Doch Kate lächelte nur und legte eine Hand über ihr Glas. Er kam mit einem weiteren großen Whisky zurück. Der wievielte mochte es sein? Bisher hatte sie mindestens drei gezählt. Trotzdem hatte er sich kaum verändert; lediglich seine Augen waren röter geworden.
»Ich kann Sie wirklich verstehen«, sagte Kate. »So ein hübsches, junges Ding wie Donna, die sich in der Frühlingssonne über eine Tulpe oder eine Narzisse beugt …«
»Genau genommen war es Sommer«, erklärte Jon. »Und ich habe überhaupt nichts getan. Sie dürfen nicht denken, dass ich etwas getan hätte.«
»Natürlich haben Sie nichts getan.« Aber Sie hätten gern , nicht wahr? »Die Versuchung ist verständlicherweise da.«
»Ich habe lediglich versucht, sie zu küssen.« Jons Stimme wurde langsam weinerlich. »Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
»Und wie hat sie reagiert?«
»Sie hat mich weggestoßen. Ziemlich heftig. Und sie hat gesagt, ich wäre …«
Ein dreckiger , alter Widerling , vervollständigte Kate in Gedanken.
»Na ja, sie hat mir eben deutlich gemacht, dass sie nicht wollte.«
»Also hat niemand Schaden davongetragen, oder?«
»Aber sie hat wahrscheinlich sämtlichen Freunden davon erzählt.«
»Das war nicht nett von ihr.«
»Nicht wahr? Ich hatte den Eindruck, dass man im Dorf … na ja, über mich lachte.«
»Das ist wirklich nicht fair.«
»Finde ich auch.«
»Ganz und gar nicht prächtig.«
»Was?«
»Glauben Sie, dass Emma Wind davon bekommen hat?«
»Ganz sicher sogar. Aber ich konnte sie überzeugen, dass an der Sache nichts dran war.«
»Wo liegt dann jetzt das Problem?«
»Ah. Was?«
»Wo liegt das Problem? Warum haben Sie mich herkommen lassen und mir die Geschichte erzählt?«
»Oh, es ist ein bisschen peinlich, jetzt, da sie tot ist, verstehen Sie das nicht?«
»Glauben Sie, die Leute reden immer noch davon?«
»Die Leute behaupten, dass sie in dieser Nacht mit jemandem zusammen war, und glauben, dass ich es gewesen sein könnte.«
»Und wo waren Sie?«
»Wie?«
»Wenn Sie nicht mit Donna zusammen waren, wo waren Sie dann?«
»Ah. Es ist mir ziemlich peinlich, wissen Sie.«
»Sie waren also mit jemandem zusammen, aber nicht mit Emma.«
»Genau, Sie sagen es. Ich wusste doch, dass Sie ein helles Köpfchen sind.«
»Und was glauben Sie, wie ich Ihnen helfen
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