Flucht aus Oxford
auszudenken. Um sich überhaupt eine Geschichte auszudenken.«
»Du glaubst also nicht, dass er für den Mord an Donna infrage kommt?«
»Nein. Und ich glaube auch nicht, dass er ihr Rabe war. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat sie ihn ganz schön abblitzen lassen. Damit kommt kein Mann zurecht.«
»Es sei denn, er ist deutlich intelligenter als unser lieber Freund Jon.«
»Nachdem wir nun also Jon Hope-Stanhope von der Liste der Verdächtigen gestrichen haben, können wir unser ganzes Augenmerk auf den Besuch des neuen Gemeindesaals richten. Vielleicht treiben wir ja diesen Graham auf.«
»Aber vorher habe ich noch eine letzte Frage zu den Hope-Stanhopes.«
»Und die wäre?«
»Mich interessiert nach wie vor, was mit ihren Möbeln passiert ist.«
16
»Höchste Zeit, dass mein Auto wieder einmal bewegt wird« verkündete Roz am nächsten Morgen. »Dieses dauernde Herumstehen und Vor-sich-hin-Rosten schadet der Batterie.«
»Gute Idee«, pflichtete Kate ihr bei. Der VW schien ihr ein angemessenes Fahrzeug für den Besuch eines Antikmarktes zu sein.
Beim fünften Versuch sprang der Wagen schließlich an, und obwohl der Motor unwillig hustete und spuckte, erreichten sie das Pfarrhaus um fünf vor zwölf. Kate lief die Eisentreppe hinauf und klingelte. Tim öffnete. Schon auf den ersten Blick war erkennbar, dass er sich Gedanken über sein Erscheinungsbild gemacht hatte. Klerikale Freizeitkleidung wäre der richtige Ausdruck, dachte Kate; zur legeren Baumwollhose in Hellbeige trug Tim ein cremefarbenes Hemd mit Kollar. Gegen die hellen Farben setzte sich das Kollar jedoch kaum ab. Es schien, als wolle er seine Rolle als Pfarrer an diesem Tag nicht unbedingt in den Vordergrund stellen. Seine Haare hatte er mit Wachs zu einem modischen Igel-Look geknetet. Die randlose Brille sowie der kleine goldene Ohrring unterstrichen den Eindruck, dass er sich für die nächsten paar Stunden als nicht im Dienst befindlich ansah. Seine schwarze Baseballjacke hatte er leger über die Schulter geworfen, falls ihm später kalt werden würde.
»Cool«, sagte Kate und lächelte ihn an.
»Na ja, ich wollte mich nicht zu sehr von der Masse absetzen«, erklärte Tim ein wenig steif und folgte ihr die Treppe hinunter.
»Los geht’s!«, rief Roz.
»Auf ins Abenteuer«, murmelte Kate.
»Sitzen Sie bequem dahinten, Tim?«
»Schon gut. Wenn ich das … Zeug da ein wenig beiseiteschieben darf, geht es. Machen Sie sich keine Gedanken um mich.«
Der neue Gemeindesaal von Lower Hensford war leicht zu finden. Schon jetzt platzte der Parkplatz, obwohl er keineswegs klein war, aus allen Nähten, und sie mussten sich mit dem Ausweichparkplatz auf einer angrenzenden Wiese begnügen.
»Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen, sonst kommen wir hier nie mehr raus«, sagte Roz, als sie beim Aussteigen die tiefen Reifenspuren im aufgeweichten Gras sah.
»Dieser Markt ist recht beliebt«, bemerkte Tim und folgte dem Besucherstrom zum Eingang. Der niedrige rote Ziegelbau mit seinem steilen Dach und den spitzen Giebelwänden wirkte eher wie ein vor den Toren der Stadt liegender Supermarkt als ein Gemeindesaal.
Sie bezahlten Eintritt, erhielten ein Programm und betraten den Saal.
Roz sah sich um. »Wo fangen wir an?«
Die Halle war riesig und ging in eine zweite über. Stand reihte sich an Stand.
»Wundervoll! Jede Menge Schnickschnack!«, freute sich Kate.
»Unter Insidern heißt das Objekte , du Banause«, frotzelte Roz. »Was allerdings die Echtheit angeht – na ja …«
»Das klingt ja fast, als würdest du dich auskennen«, stellte Kate überrascht fest.
»Ich nehme schließlich nicht zum ersten Mal an einem solchen Zirkus teil.«
»Wir sollten uns allmählich entscheiden, wo wir anfangen wollen«, machte sich Tim bemerkbar. »Ich hoffe, Sie denken daran, dass ich in zwei Stunden wieder zu Hause sein muss.«
»Keine Sorge, wir bringen Sie rechtzeitig heim«, beruhigte ihn Roz. »Ich schlage vor, wir fangen an diesem Ende an und arbeiten uns Reihe für Reihe durch. Wenn wir jemanden sehen, der Graham sein könnte, fragen wir ihn einfach nach seinem Namen.«
»Ganz so einfach ist es sicher nicht«, wandte Roz ein. »Nach meiner Erfahrung ist nichts so leicht, wie es auf den ersten Blick scheint.«
Falls Tim während der nächsten zwanzig Minuten ungeduldig wurde, wusste er es gut zu verbergen. Kaum hatten Kate und Roz nämlich angefangen, die Auslagen zu betrachten, verhielten sie sich wie auf einem
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