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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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geschlossen.«
    »Bitte!«, rief ich ungeduldig aus.
    »Hey. Ich nehme die Sache ernst, okay?« Er lächelte nicht, als er den Beutel heranzog und den Anhänger durch das Plastik untersuchte. »Haben Sie bemerkt, dass die Schließe verbogen ist, ebenso wie der kleine Ring da unten? Es sieht so aus, als wären beide kaputtgegangen, als er das Medaillon von Harpers Hals riss. Dann hat er sie vermutlich mit einer Zange wieder zurechtgebogen. Verdammte Scheiße, vielleicht hat er die Kette in der Zwischenzeit sogar getragen.«
    Er streifte seine Zigarettenasche ab.
    »Haben Sie an Harpers Hals irgendeinen Einschnitt von der Kette gefunden?«
    »Es war nicht mehr viel übrig von seinem Hals«, erwiderte ich matt.
    »Haben Sie so ein Medaillon schon mal gesehen?«
    »Nein.«
    Es sah aus wie ein Wappen aus achtzehnkarätigem Gold, aber es war nichts eingraviert, außer der Jahreszahl 1906 auf der Rückseite.
    »Die vier Juwelier-Stempel auf der Rückseite legen die Vermutung nahe, dass das Ding aus England stammt«, sagte ich. »Diese Zeichen sind ein weitverbreiteter Code, der angibt, wann, wo und von wem das Medaillon hergestellt wurde. Ein Juwelier könnte ihn entschlüsseln. Eines ist sicher, es kommt nicht aus Italien ...«
    »Doc ...«
    »Dann wäre nämlich die Zahl 750 eingeschlagen, was dort so viel wie achtzehn Karat Gold bedeutet. 500 entspricht vierzehn Karat und ...«
    »Doc ...«
    »Ich kenne einen Schmucksachverständigen bei Schwarzschild ...«
    »Hey«, rief Marino. »Es ist nicht wichtig, okay?«
    Ich hatte drauflosgeschwatzt wie eine hysterische alte Frau. »Selbst ein ganzer dämlicher Stammbaum mit allen Leuten, die diesen Anhänger jemals besessen haben, kann uns nicht die wichtigste Information geben – den Namen des Irren, der ihn an Ihre Tür gehängt hat.« Sein Blick wurde ein wenig sanfter und seine Stimme leiser. »Was gibt’s denn in Ihrer Hütte zu trinken? Brandy? Haben Sie Brandy?«
    »Sie sind im Dienst.«
    »Doch nicht für mich«, lachte er. »Für Sie. Kommen Sie, schenken Sie sich so viel ein.« Mit Daumen und Zeigefinger markierte er etwa fünf Zentimeter. »Dann reden wir weiter.«
    Ich ging zur Bar und kam mit einem kleinen Cognacschwenker zurück. Der Brandy brannte in meinem Magen und begann sofort, mich von innen zu wärmen. Ich hörte auf, innerlich zu zittern und zu beben. Marino sah mich neugierig an. Seine Aufmerksamkeit rief mir eine Menge Dinge ins Bewusstsein. Ich trug noch immer dasselbe verknitterte Kostüm, das ich auf unserer Zugfahrt zurück von Baltimore angehabt hatte. Meine Strumpfhosen kniffen mich an der Taille und waren an den Knien ausgeleiert. Ich verspürte ein überwältigendes Bedürfnis, mein Gesicht zu waschen und die Zähne zu putzen. Meine Kopfhaut juckte. Ich sah sicher schrecklich aus.
    »Dieser Kerl macht bestimmt keine leeren Drohungen«, bemerkte Marino sehr ruhig, während ich meinen Brandy schlürfte.
    »Vielleicht will er mir nur einen Schrecken einjagen, weil ich mich mit dem Fall beschäftige. Er macht sich lustig über mich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Psychopathen die Ermittlungsbehörden verhöhnen und ihnen Souvenirs schicken.« Ich war selbst nicht so ganz davon überzeugt, und Marino glaubte es gar nicht.
    »Ich werde ein oder zwei Streifen draußen postieren. Wir werdenIhr Haus beobachten«, entschied er. »Und ich habe noch ein paar Verhaltensmaßregeln für Sie. Befolgen Sie sie buchstabengetreu. Keine Sperenzchen, bitte.« Er sah mir in die Augen. »Zunächst möchte ich, dass Sie alle Ihre Gewohnheiten über Bord werfen. Wenn Sie zum Beispiel normalerweise immer am Freitagnachmittag zum Lebensmittelhändler gehen, dann gehen Sie das nächste Mal am Mittwoch, und zwar zu einem anderen Laden. Setzen Sie keinen Fuß vors Haus oder aus Ihrem Auto, ohne dass Sie sich zuerst umgesehen haben. Wenn Ihnen irgendetwas ungewöhnliches auffällt, zum Beispiel ein fremdes Auto, das in der Straße parkt, oder dass irgendjemand auf Ihrem Grundstück war, geben Sie Gas und hauen Sie ab, respektive bleiben Sie im Haus, verrammeln Sie Fenster und Türen, und rufen Sie die Polizei. Und wenn Sie im Haus sind und irgendetwas bemerken – damit meine ich, wenn Sie auch nur ein unheimliches Gefühl verspüren –, laufen Sie raus, suchen Sie ein Telefon, und verständigen Sie die Polizei. Bitten Sie einen Beamten, Sie ins Haus zu begleiten und nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.«
    »Ich habe eine Alarmanlage«, erwiderte ich.
    »Genau wie

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