Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
Rose gesprochen hatte, hatte sie mir gesagt, dass das People -Magazin angerufen und ein Fotograf dieser Zeitschrift Bilder von unserem Gebäude aufgenommen habe, nachdem ihm der Eintritt verwehrt worden sei. Langsam wurde ich berühmt-berüchtigt. Ich entwickelte mich aber auch zu einer Expertin im Verweigern jeglichen Kommentars, die es meisterhaft verstand, sich rar zu machen.
»Sie meinen, dass wir es mit einem Verrückten zu tun haben, oder?«, fragte mich Ethridge geradeheraus.
Das dachte ich, egal, ob nun eine orangefarbene Acrylfaser eine Verbindung zu Terroristen herstellte oder nicht. Und ich sagte es ihm auch.
Er schaute auf seinen halbleer gegessenen Teller, und als er den Blick wieder hob, brachte mich das, was ich in seinen Augen sah, aus der Fassung. Es war Trauer und Enttäuschung. Und ein schreckliches Zögern.
»Kay«, begann er, »was ich Ihnen jetzt sagen muss, fällt mir nicht leicht.«
Ich nahm ein Biskuit.
»Aber Sie müssen es wissen. Ganz gleich, was wirklich geschieht oder warum, ganz gleich, was Sie persönlich glauben oder meinen, Sie müssen mir jetzt zuhören.«
Ich entschloss mich, lieber zu rauchen, als zu essen, und holte meine Zigaretten heraus.
»Ich habe da einen Gewährsmann. Es muss Ihnen genügen, wenn ich sage, dass er über die Aktivitäten des Justizministeriums Bescheid weiß ...«
»Es geht um Sparacino«, unterbrach ich.
»Es geht um Mark James«, verbesserte er.
Wenn der Generalstaatsanwalt mir einen Fluch entgegengeschleudert hätte, hätte er mich damit kaum mehr geschockt. Ich fragte: »Was ist mit Mark?«
»Ich glaube, diese Frage sollte lieber ich Ihnen stellen, nicht wahr, Kay?«
»Was genau meinen Sie damit?«
»Sie wurden vor einigen Wochen zusammen mit ihm in New York gesehen. In Gallagher’s Steakhouse.« Es entstand eine unangenehme Pause, als er hustete und dann überflüssigerweise bemerkte: »Ich war schon seit Jahren nicht mehr dort.«
Ich starrte auf den Rauch, der von meiner Zigarette aufstieg. »Wenn ich mich recht erinnere, waren die Steaks dort ganz ordentlich ...«
»Hören Sie auf, Tom«, bat ich ruhig.
»Eine Menge gutgelaunter Iren dort, die viel saufen und immer einen Witz auf Lager haben.«
»Hören Sie auf damit, verdammt noch mal«, unterbrach ich ihn ein wenig zu laut.
Senator Partin schaute direkt zu uns herüber, in seinen Augen erwachte schwache Neugier, als er zuerst Ethridge und dann mich erkannte. Unser Ober war auf einmal zur Stelle, goss Kaffee nach und fragte, ob wir noch etwas benötigten. Mir war es unangenehm warm.
»Machen Sie sich nicht lustig über mich, Tom«, bat ich. »Wer hat mich gesehen?«
Er schob die Frage beiseite. »Wichtig ist nur, woher Sie Mark James kennen.«
»Ich kenne ihn schon sehr lange.«
»Das ist keine Antwort.«
»Seit meinem Jurastudium.«
»Standen Sie sich nahe?«
»Ja.«
»Waren Sie seine Geliebte?«
»Mein Gott, Tom.«
»Es tut mir leid, Kay, aber es ist wichtig.« Er tupfte sich seine Lippen mit der Serviette ab und griff nach dem Kaffee. Seine Augen wanderten durch den Speisesaal. Ethridge fühlte sich absolut nicht wohl in seiner haut.
»Sagen wir einmal, dass Sie in New York fast die ganze Nacht zusammen mit ihm verbrachten. Im Omni Park Central.«
Meine Wangen brannten wie Feuer.
»Ihr Privatleben geht mich überhaupt nichts an, Kay, auch niemand anderen. Außer in diesem einen, sehr wichtigen Fall. Wissen Sie, es tut mir wirklich leid.« Er räusperte sich und blickte mich wieder an. »Verdammt. Das Justizministerium ermittelt gegen Marks Komplizen, Sparacino ...«
»Seinen Komplizen ?«
»Das Ganze ist sehr ernst, Kay«, fuhr Ethridge fort. »Ich weiß nicht, wie Mark James war, als Sie ihn während des Jurastudiums kannten, aber ich weiß, was aus ihm seitdem geworden ist. Ich kenne seine Akte. Seit man Sie mit ihm gesehen hat, habe ich ein paar Nachforschungen angestellt. Er hatte vor sieben Jahren eine Menge Ärger in Tallahassee. Organisierte Erpressung und Betrug. Er wurde wegen dieser Verbrechen verurteilt und saß sogar eine Zeitlang im Gefängnis. Nach dieser Geschichte wurde er Sparacinos Partner, der unter Verdacht stand, mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung zu stehen.«
Ich fühlte mich, als würde mir eine Klammer das Herz zusammendrücken, und ich musste bleich geworden sein, denn Ethridge gab mir schnell ein Glas Wasser und wartete geduldig,bis ich mich wieder gefangen hatte. Aber als ich ihm wieder in die Augen sah, fuhr er dort fort,
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