Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
hinzugefügte Notiz besagte, kurz darauf aus dem Haus seines Vaters in Maryland verschwunden.
»Woher wissen Sie, dass er von zu Hause weggelaufen ist?«, fragte Marino und sah den Psychiater an. »Woher wissen Sie, was mit ihm passierte, nachdem er diese Klitsche hier verlassen hatte?«
»Sein Vater rief mich an. Er war völlig durcheinander«, erklärte Dr. Masterson.
»Und weiter?«
»Ich fürchte, dass weder ich noch irgendjemand anders da etwas machen konnte. Frank war volljährig, Lieutenant.«
»Können Sie sich erinnern, ob je irgendjemand von ihm als Frankie gesprochen hat?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
»Und was war mit Jim Barnes? War er Frank Aims’ Sozialarbeiter?«
»Ja«, gab Dr. Masterson widerstrebend zu.
»Hatte Frank Aims ein schlimmes Erlebnis mit Jim Barnes?«, fragte ich.
Er zögerte. »Angeblich.«
»Welcher Art?«
»Angeblich sexueller Natur, Dr. Scarpetta. Und, um Himmels willen, ich bin wirklich bereit, Ihnen zu helfen. Ich hoffe, Sie vergessen das nicht.«
»Hey«, sagte Marino, »wir werden’s schon nicht vergessen, okay? Ich meine damit, dass wir nicht vorhaben, Presseerklärungen abzugeben.«
»Frank kannte also Al Hunt«, vermutete ich.
Dr. Masterson zögerte wieder, sein Gesicht war sehr angespannt. »Ja. Es war Al, der die Beschuldigungen vorbrachte.«
»Bingo«, murmelte Marino.
»Was meinen Sie damit, dass Al Hunt die Beschuldigungen vorbrachte?«, wollte ich wissen.
»Ich meine damit, dass er sich bei einem unserer Therapeuten beschwerte«, antwortete Dr. Masterson in defensivem Ton. »Er sagte auch mir in etwa das Gleiche während einer unserer Sitzungen. Frank wurde befragt, aber er weigerte sich zu sprechen. Er war ein sehr zorniger, zugeknöpfter junger Mann. Ich konnte allein aufgrund Als Aussage unmöglich etwas unternehmen. Ohne Franks Bestätigung waren die Beschuldigungen nicht mehr als Gerüchte.«
Marino und ich schwiegen.
»Es tut mir leid«, sagte Dr. Masterson, der jetzt völlig aus der Fassung geraten war. »Ich kann Ihnen nicht mit Franks Aufenthaltsort dienen. Vor sieben oder acht Jahren habe ich das letzte Mal etwas von seinem Vater gehört.«
»Bei welcher Gelegenheit haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte ich weiter.
»Mr. Aims rief mich an.«
»Aus welchem Grund?«
»Er wollte wissen, ob ich etwas von Frank gehört hätte.« »Und, hatten Sie?«, erkundigte sich Marino.
»Nein«, antwortete Dr. Masterson. »Es tut mir leid, aber ich habe nie auch nur ein Wort von Frank gehört.«
»Warum wollte Mr. Aims wissen, ob Sie von Frank etwas gehört hätten?« Das war für mich die eigentlich entscheidende Frage.
»Er wollte ihn ausfindig machen und hoffte, dass ich vielleicht eine Idee hätte, wo er sein könnte. Seine Mutter war gestorben. Franks Mutter, meine ich.«
»Wo starb sie, und was ist passiert?«, fragte ich.
»In Freeport in Maine. Ich bin mir über die genauen Umstände nicht im Klaren.«
»Starb sie eines natürlichen Todes?«
»Nein«, sagte Dr. Masterson und vermied es, uns in die Augen zu sehen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht so war.«
Marino brauchte nicht lange, bis er alles darüber herausgefunden hatte. Er rief die Polizei in Freeport, Maine, an. Nach ihren Aufzeichnungen wurde Mrs. Wilma Aims am späten Nachmittag des 15. Januar 1983 von einem »Einbrecher«, der offensichtlich in ihr Haus eindrang, während sie beim Einkaufen gewesen war, erschlagen. Sie war zweiundvierzig, als sie starb, eine zierliche Frau mit blauen Augen und blondgefärbten Haaren. Der Fall wurde niemals aufgeklärt.
Ich hegte keine Zweifel darüber, um wen es sich bei dem sogenannten Einbrecher handelte. Auch Marino nicht.
Er sagte: »Also war Hunt wirklich eine Art Hellseher, was? Er wusste, dass Frankie seine Mutter um die Ecke gebracht hatte. Schließlich war es schon Jahre her, dass die beiden Irren zusammen in der Klapsmühle waren.«
Wir schauten Sammy, dem Eichhörnchen, bei seinen Turnübungen am Vogelhaus zu. Nachdem mich Marino von der Klinik nach Hause gefahren hatte, hatte ich ihn noch zu einer Tasse Kaffee eingeladen.
»Und Sie sind sicher, dass Frankie während der letzten paar Jahre nicht in Hunts Autowaschanlage beschäftigt war?«, fragte ich.
»Ich kann mich nicht erinnern, in Büchern dort einen Frank oder Frankie Aims gesehen zu haben«, antwortete er.
»Es ist sehr gut möglich, dass er seinen Namen änderte«, sagte ich.
»Wenn er seine Mutter wirklich abgemurkst hat, dürfte er das mit
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