Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
ungemütlich. Auf schwarzem Teppichboden thronte ein massiver schwarzer Empfangstresen. An der Decke hingen Lichtschienen aus poliertem Messing, und ein massiver Messingblock diente als Tisch zwischen zwei Stühlen aus schwarzem Acryl. Es fiel auf, dass sich sonst keine Möbel, Pflanzen oder Gemälde in der Halle befanden, nur ein paar bizarre Skulpturen, die wahllos in der riesigen Leere des Raumes verteilt waren, die sie ein wenig abmildern sollten.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte mich die Empfangsdame hinter ihrem Tresen mit einem geübten Lächeln.
Bevor ich antworten konnte, öffnete sich lautlos eine Tür, die mir an der dunklen Wand vorher nicht aufgefallen war, und Mark nahm mir meine Tasche ab und führte mich in einen langen, breiten Gang. Wir gingen an vielen Türen zu geräumigen Büros vorbei, die alle riesige Fenster mit Ausblick über ein graues Manhattan hatten. Alle Räume waren menschenleer, vermutlich war jedermann beim Lunch.
»Wer, um Himmels willen, hat denn eure Eingangshalle entworfen?«, flüsterte ich.
»Der Herr, den wir jetzt gleich sehen werden«, erwiderte Mark.
Sparacinos Büro war doppelt so groß wie alle anderen, mit einem riesigen Schreibtisch aus Ebenholz, auf dem Briefbeschwerer aus polierten Halbedelsteinen herumlagen. An den Wänden standen lauter Bücherregale. Der Anwalt der Showstars und Literaten trug einen teuren Maßanzug mit einem blutroten Einstecktuch in der Brusttasche als Farbtupfer, und sah nicht weniger furchteinflößend aus als am Abend zuvor. Er saß lässig und entspannt in seinem Stuhl und rührte sich nicht, als wir eintraten und uns setzten. Einen eisigen Moment lang sah er uns noch nicht einmal an. »Ich nehme an, Sie sind auf dem Weg zum Lunch«, bemerkte er schließlich.
Er schaute uns mit seinen blauen Augen an, während seine dicken Finger einen Aktendeckel schlossen. »Ich verspreche, dass ich Sie nicht allzu lange aufhalten werde, Dr. Scarpetta. Mark und ich haben gerade über ein paar Einzelheiten gesprochen, die den Fall meiner Klientin Beryl Madison betreffen. Es dürfte ziemlich klar sein, wofür ich mich als ihr Anwalt und Nachlassverwalter interessiere, und ich bin sicher, dass Sie mir helfen können, die Dinge ihren Wünschen entsprechend zu regeln.«
Ich sagte nichts. Meine Suche nach einem Aschenbecher verlief erfolglos.
»Robert braucht alle ihre Papiere«, stellte Mark ohne Nachdruckfest. »Genauer gesagt, das Manuskript eines Buches, an dem sie gerade schrieb, Kay. Bevor du kamst, habe ich ihm erklärt, dass sich solche persönlichen Dinge nicht im Gewahrsam des Chief Medical Examiner befinden, zumindest nicht in diesem Fall.«
Wir hatten beim Frühstück diese Unterhaltung schon durchgesprochen. Mark wollte sich, bevor ich eintraf, um Sparacino »kümmern«, aber ich hatte jetzt schon das Gefühl, dass Sparacino sich wohl mehr um mich kümmern würde.
Ich schaute ihn geradeheraus an und sagte: »Die Gegenstände, die meinem Büro übergeben wurden, sind ausschließlich Beweisstücke. Irgendwelche Papiere, die für Sie von Interesse sein könnten, sind nicht dabei.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie das Manuskript nicht haben?«, fragte er.
»So ist es.«
»Und Sie wissen auch nicht, wo es sich befindet?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Nun, was Sie da sagen, bereitet mir doch ein wenig Kopfzerbrechen.«
Mit ausdruckslosem Gesicht öffnete er den Aktendeckel und holte ein Schriftstück, das ich als Fotokopie von Beryls Polizeibericht erkannte, heraus.
»Laut Angaben der Polizei wurde am Tatort ein Manuskript gefunden«, stellte er fest. »Sie wiederum behaupten, dass es kein Manuskript gibt. Wie soll ich das verstehen?«
»Es wurden Teile eines Manuskripts gefunden«, antwortete ich. »Aber ich glaube nicht, dass es das ist, wonach Sie suchen, Mr. Sparacino. Sie scheinen nicht neueren Datums zu sein, und vor allen Dingen wurden sie mir niemals übergeben.«
»Wie viele Seiten?«, fragte er.
»Ich habe sie nie gesehen«, antwortete ich.
»Wer hat sie denn gesehen?«
»Lieutenant Marino vom Richmond Police Department. Eigentlich sollten Sie die Angelegenheit mit ihm besprechen«, sagte ich.
»Das habe ich bereits, und er hat mir erzählt, dass er das Manuskript an Sie weitergegeben habe.«
Ich glaubte nicht, dass Marino das behauptet hatte.
»Das muss ein Missverständnis sein«, antwortete ich. »Ich glaube, Marino hat gemeint, dass er teile eines Manuskripts dem forensischen Labor übergeben hat, und zwar Seiten
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