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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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wenn man aus einer anderen kam … nach der ich bald große Sehnsucht
hatte.
    Sobald ich mich in Deutschland aufhielt, sehnte ich mich nach
Tunesien. Wenn ich in Tunesien war, war es nicht das Tunesien, das ich mir
erträumte, und das lag nie an dem Land, sondern an dem Mann an meiner Seite. So
ging es hin und her und auf und ab in diesem Teufelskreis.
    Als Emira dreieinhalb Jahre alt war, spürte ich, dass ich am Ende
meiner Kraft angelangt war. Nach wie vor schloss Farid mich aus seinem Leben
aus, ich war allein und ganz auf mich gestellt. Ich hatte alles versucht, und
nichts hatte geklappt. Zudem wollte ich Emira in keinen tunesischen
Kindergarten geben. Kindergärten, wie ich sie von Deutschland her kannte, gab
es nicht auf Djerba, das waren in meinen Augen eher Kinderverwahranstalten, in
denen die Kleinen militärische Lieder sangen und gedrillt wurden. Ich besichtigte
zwei solcher Einrichtungen, und es brach mir das Herz, wenn ich mir vorstellte,
wie Emira dort unterdrückt werden würde. Doch sie war das Kind zweier Welten,
und so fragte ich sie trotzdem um ihre Meinung.
    »Möchtest du hier in den Kindergarten?«
    Fest klammerte sie sich an mich und schüttelte den Kopf.
    Ich selbst hatte nur schöne Erinnerungen an meinen
Waldorfkindergarten und die daran anschließende Zeit in der Schule. Bei meinem
nächsten Aufenthalt in Deutschland besuchte ich einen Waldorfkindergarten in
der Nähe meiner Oma, um herauszufinden, ob sich dort etwas verändert hatte im
Erziehungsstil, aber nein: Noch immer wurden Kinder maximal in der Entfaltung
ihrer Persönlichkeit gefördert. Emira war genauso begeistert wie ich. »Mama,
darf ich jetzt gleich dableiben?«
    »Ja«, sagte ich spontan.

FREMD IM EIGENEN LAND
    Nachdem ich mir alles genau überlegt hatte, rief ich Farid
an. »Es geht mir nicht gut. Ich schaffe das alles nicht mehr. Bitte versteh
mich, ich brauche Abstand und muss mich eine Weile erholen. Ich werde ein
bisschen länger als geplant in Deutschland bleiben.«
    »Okay«, sagte er zu meinem Erstaunen. Aber was sollte er auch
dagegen unternehmen, wie wollte er mir drohen? Ich war weit weg, in Sicherheit.
    Für mich bedeutete dieser Entschluss die Trennung von Farid, was ich
ihm allerdings nicht zu sagen wagte. Ich wollte unsere Beziehung ausschleifen
lassen, so ähnlich, wie man es bei einer Vergiftung versucht, denn so kam ich
mir in diesem Moment vor: vergiftet. Das tat mir unendlich weh, denn letztendlich
musste ich mir eingestehen, dass all meine Träume wie Seifenblasen geplatzt
waren. Ich war auf ganzer Linie gescheitert. Ich hatte es nicht geschafft, mit
der tunesischen Kultur zu verschmelzen, mich einzugliedern. Meine große
Faszination für dieses Land mit seiner jahrtausendealten Kultur und seinen
strengen Glaubensbekenntnissen war einer großen Enttäuschung gewichen. Ich
hatte es nicht geschafft, eine glückliche Ehe zu führen. Ich hatte es nicht
geschafft, Emira eine intakte Familie zu bieten. Ich hatte mich so angestrengt,
doch es war alles vergebens gewesen. Das war niederschmetternd. Und es tat weh
zu erkennen, dass ich mich selbst aufgegeben, mich verloren hatte, nur um es
meinem Mann recht zu machen. Um ein bisschen Liebe zu bekommen. Ich war auch wütend,
denn ich verließ Farid zu einem Zeitpunkt, wo wir zumindest den äußeren
Umständen nach ein schönes gemeinsames Leben hätten beginnen können. Die ganze
harte Zeit in Belgien, dann in Deutschland und schließlich in der kalten,
klammen Wohnung auf Djerba hatte ich ausgeharrt. Mittlerweile waren wir
umgezogen in ein großes, helles Haus mit Heizung und nagten längst nicht mehr
am Hungertuch, beziehungsweise er nicht, ich schon. Farid verdiente viel Geld
und würde, so wie es aussah, in absehbarer Zeit ein reicher Mann sein. All die
Jahre hatte ich ihn finanziert, und jetzt, da er selbst über Geld verfügte, gab
er mir nichts davon ab, im Gegenteil, er hielt mich so knapp, dass ich mir oft
genug verzweifelt bei Nachbarinnen Geld hatte leihen müssen, um überhaupt eine
Mahlzeit auf den Tisch zu bringen. Das hatte mich zermürbt und zermürbte mich
weiterhin. Vergeblich versuchte ich herauszufinden, was im Kopf dieses Mannes
vor sich ging. Warum quälte er mich so sehr? Wir hatten die besten
Voraussetzungen, um glücklich zu sein. Stattdessen diskutierten wir über das
Haushaltsgeld, und ich musste mich zurechtweisen lassen, weil ich seiner
Meinung nach nicht sparsam wirtschaftete. Sparsam wovon? Wie sollte ich ihm ein
warmes Essen

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