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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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ich tagelang recherchiert hatte, wo ich die Sachen
gebraucht erwerben konnte. Eine Arztausstattung ist teuer. Vom Kittel über das
Blutdruckmessgerät zu Verbandsmaterial, Spritzen, Kanülen, Stethoskop,
Skalpell, Otoskop und so weiter hatte ich alles von meinem Geld bezahlt
beziehungsweise Schulden gemacht. Und mein Ehemann konnte nicht mal eine
einigermaßen akzeptable Wohnung für uns mieten!
    Ich klagte Johanna mein Leid am Telefon.
    »Du kennst ihn doch. Meinst du noch immer, dass er sich verändert
hat?«, fragte sie.
    »Ja und nein«, sagte ich. Ja, ich kannte ihn. Und noch mal ja, ich
hatte gehofft, er würde sich in seiner Heimat verändern. Hier hatten wir so
schöne Tage und Nächte verbracht am Anfang unserer Liebe. »Ich dachte, es würde
ihm besser gehen, wenn er endlich als Arzt praktizieren kann. Das weiß doch jeder
Mensch, wie wichtig Selbstachtung ist.«
    »Oh, wie wahr.«
    »Und deshalb bin ich eben ein bisschen enttäuscht …« Ich hätte
Johanna gern mehr von meinen Problemen erzählt, doch sie war die falsche
Ansprechpartnerin. Sie hatte längst genug von Farid hier, Farid da. »Tina, dazu
sag ich nichts mehr.«
    Und so hatte ich niemanden mehr, mit dem ich mich austauschen
konnte. Mein Vater wollte seit der Spuckattacke nichts mehr von seinem Schwiegersohn
wissen, und meine Omas wollte ich nicht beunruhigen.
    Hier, in meiner neuen Umgebung, war Farid hoch angesehen. Ein Arzt!
Es wäre undenkbar gewesen, in meinem damals noch holprigen Tunesisch mit
irgendwelchen Bekannten ein Gespräch über meine Enttäuschung zu führen, weil
mein Mann mich so oft allein ließ. Außerdem wäre das haram gewesen. Eine Frau beschwert sich nicht über ihren Mann. Wenn es Grund zur
Klage gibt, versucht sie nicht, ihren Mann zu ändern, sondern ihr Verhalten ihm
gegenüber.
    Was hätte uns damals helfen können? Wir beide hatten die Chance zu
einem Neuanfang; Liebe war da, und Unterstützung, zumindest meinerseits. Doch
unsere Probleme renkten sich nicht von selbst ein, es half nichts, dass ich,
wenn möglich, schwieg, um ihn nicht zu provozieren, mich in meiner Einsamkeit
verbiss. Uns ging es wie unzähligen anderen Paaren; wir hatten Erwartungen, die
dann doch nur enttäuscht wurden, und plötzlich fanden wir uns in einem
Rosenkrieg wieder. Ich versuchte mich mit Liebe zu wappnen. Das Schlachtfeld,
auf dem er ausgetragen wurde, durfte nicht Emiras Seele sein. Also startete ich
jeden Tag einen Neuanfang und kreiste doch nur um die gleichen, immer wiederkehrenden
Probleme, nicht ahnend, dass es längst zu spät war und Emira in hohem Maße
unter all dem würde leiden müssen.
    Als ich die Wohnung so gut wie nur möglich gemütlich eingerichtet
hatte, nahm ich mir die Praxis vor. Nähte Vorhänge, gestaltete das Wartezimmer
ansprechend, pflanzte auf der Terrasse davor ein Orangenbäumchen; aus
Deutschland hatte ich extra Holzspielsachen, einen kleinen Tisch und drei
Stühle für eine Kinderecke mitgebracht. So etwas kannten die Tunesier nicht.
Mit solchen kleinen Extras hoffte ich, einen Beitrag zu Farids Erfolg zu
leisten.
    Wenigstens Emira freundete sich mit einigen Nachbarskindern an und
spielte nun mit Gleichaltrigen. Doch ich? Wie sollte ich meine Tage verbringen?
Wo konnte ich mich nützlich machen? Ich suchte nach einer Nische, in der ich
mich entfalten konnte, ohne gegen die Regeln der Gesellschaft zu verstoßen, die
jetzt die meine war. Viel blieb mir nicht. Ich beobachtete die Frauen um mich
herum, die ebenso an das Haus und die Tradition gefesselt waren wie ich. Sie
schienen zufrieden, aber sie waren es nicht anders gewohnt – und sie verband untereinander
eine tiefe Gemeinschaft der Frauen, von der ich ausgeschlossen war. Nicht, dass
man mich mied – aber das Leben einer arabischen Frau gestaltet sich so
verschieden von allem, was ich gewohnt war. All diese unausgesprochenen Gesetze
und Traditionen – wie hätte ich die, allein wie ich war, erlernen sollen? Ich
bemühte mich, mich anzupassen, doch ich war völlig anders geprägt. Und mir
fehlte eine Vertraute, so wie meine Mutter es gewesen war. Jemand, der mich
voller Geduld einwies in das Leben hier, der mich willkommen hieß und mir meine
Fehler nicht zum Vorwurf machte.
    In den folgenden Wochen stürzte ich mich in die tunesische Küche.
Wenn ich das Essen kochen würde, das Farid so schätzte, käme er dann vielleicht
öfter nach Hause? Ich setzte meinen ganzen Ehrgeiz in die Kochtöpfe. Gleich
gegenüber gab es einen kleinen Gemüseladen mit

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