Flucht in die Hoffnung
mir schon
passieren, ich konnte ja jederzeit zurück … Nach einem Jahr in Deutschland ließ
ich Farid wissen, dass ich heimkehren würde. »Wir versuchen es noch mal.«
»Wir gehen zu Papa«, sagte ich zu Emira.
»Dann kriege ich einen Hund«, freute sie sich, denn damit köderte
Farid sie seit Langem: »Wenn meine kleine Prinzessin wieder bei mir ist, darf
sie einen Hund haben. In Deutschland bei Mama gibt es keinen Hund.«
AUF DEN HUND GEKOMMEN
Meine Omas und mein Vater legten zusammen für ein neues
Auto. Der Abschied von meinem treuen blauen Kangoo fiel mir schwer, doch er war
zu alt, um es noch einmal mit dem Gotthard aufzunehmen.
Der Neuzugang, ein gebrauchter Laguna Kombi, war wie immer bis
unters Dach vollgepackt. Da wäre es für Emira eng geworden. Anja, eine von
Emiras Kindergärtnerinnen, erzählte mir kurz vor meiner Abreise, dass sie gern
einmal Urlaub in Tunesien machen würde, ehe sie sich beruflich neu orientierte.
Damit war die Sache klar: Anja würde Emira im Flugzeug begleiten.
Farid begrüßte mich wie immer, vor allem neugierig auf seine
Mitbringsel, die er sofort auspacken wollte. Dann schnappte er sich das Auto
und ward erst einmal nicht mehr gesehen. Diesmal ließ ich mich davon nicht aus
der Fassung bringen, ich hatte genug zu tun, alles für die Ankunft von Emira
und Anja vorzubereiten. Vielleicht schützte ich mich ja auch … Ich wollte keine
großen Erwartungen hegen, das hätte nur neue Enttäuschungen vorprogrammiert.
Farid war glücklich, Emira wiederzusehen, als sie kurz darauf mit
Anja eintraf. Ich beobachtete die beiden; offenbar war es richtig gewesen, es
noch einmal zu versuchen, allein schon Emiras wegen.
Überhaupt gab sich Farid von seiner besten Seite. Er und Anja waren
sich sofort sympathisch, und so zeigten wir Anja die schönsten Ecken der Insel,
gingen aus und feierten, ganz so wie in unserer Anfangszeit.
Anja tat uns gut. Wir hatten großen Spaß mit der hübschen jungen,
unkomplizierten und lebenslustigen Frau. Anja stachelte Farid förmlich an, sich
als Vorzeigemann zu präsentieren. Er sprühte vor Charme und Esprit, und meine
Zuversicht, mich richtig entschieden zu haben, wuchs von Tag zu Tag und
besonders in den fröhlichen Nächten mit Anja. So unbeschwert konnte das Leben
sein! Ich staunte und freute mich, und mit diesem Schwung steckte ich Emira an,
die in der Gestalt von Anja ein kleines bisschen von ihrem geliebten
Kindergarten bewahrte, den sie in der Anfangszeit auf Djerba sehr vermisste.
»Wie siehst du deine Zukunft hier?«, fragte
Anja mich eines Tages.
»Ich will wieder arbeiten. Aber nicht mehr als Reiseleiterin, das
wäre schwierig wegen Emira. Ich denke eher an Guestrelation.«
»Was ist denn das?«
»So etwas Ähnliches, aber dabei würde ich nur noch für die Gäste
eines einzigen Hotels verantwortlich sein und zwischen ihnen und der Rezeption
vermitteln, anstatt viele Hotels abzuklappern.«
Farids Bruder Tarek erzählte mir bald darauf von einer offenen
Stelle in dem Resort, wo er als Security-Chef arbeitete.
Leider schaffte ich es nicht mehr, meine Bewerbungsmappe persönlich
dort abzugeben, denn ich musste nach Deutschland zurückkehren. Ich ließ sie auf
Farids Schreibtisch liegen und bat ihn eindringlich, sie weiterzuleiten.
»Selbstverständlich«, versprach er mir.
Nachdem die Zeit mit Anja so
positiv für uns alle verlaufen war, fuhr ich zurück nach Deutschland, um meine
Wohnung dort endgültig aufzulösen. Emira würde in dieser Zeit bei Farid
bleiben, damit ich so schnell wie möglich alles Nötige erledigen könnte. Seine
Mutter hatte sich bereit erklärt, während meiner Abwesenheit zu ihm zu ziehen.
In Deutschland musste ich zu meinem Erschrecken feststellen, dass
mir der Strom gesperrt worden war. Mein Konto war ins Minus gerutscht, und da
ich drei Monate fort gewesen und nicht auf die Briefe des Stromversorgers
reagiert hatte, saß ich nun im Dunkeln. Zuerst fand ich das nicht dramatisch,
dann würde ich eben Kerzen anzünden. Doch nach und nach erkannte ich, dass ohne
Strom fast gar nichts geht. Ich konnte nicht einmal Wasser erhitzen. Kurz
entschlossen öffnete ich das Türchen im Kamin, lief in den Keller und suchte
den Kaminausgang. Eine Kabelrolle hatte ich, und die 50 Meter reichten locker,
um Strom aus dem Keller anzuzapfen. Leider flog meine Schwarzleitung nach
einigen Tagen auf; eine Nachbarin verriet mich an die Hausverwaltung. Ich
schämte mich entsetzlich und musste all meinen Charme einsetzen, um
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