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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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Mann!
Was für ein kluger, sympathischer, gebildeter Mensch er ist. Und so ein guter
Arzt.«
    »Danke«, sagte ich artig.
    Die meisten dieser Komplimente waren wohl eher an Farid gerichtet,
der sie auch hören sollte. Er strahlte die Gäste an, spielte dann den Bescheidenen,woraufhin er ihnen noch mehr Lob rauskitzelte. Kaum kehrten
sie uns den Rücken, raunte er mir zu, was das für blöde Puten seien, die ihm
bei jeder Konsultation ein Ohr abquatschten.
    »Farid, sprich nicht so über deine Patienten!«,
bat ich ihn, denn das tat mir weh. So etwas verstieß gegen meine Vorstellung
vom menschlichen Miteinander.
    Er lachte mich aus.
    Auf einmal fand ich keine Erklärungen mehr für sein Verhalten.
Der Brunnen meiner fortwährenden Entschuldigungen für ihn war versiegt.
    Und als ich ihn nicht mehr allzu bereitwillig entschuldigte, kehrte
all das, was er mit mir gemacht hatte – was ich mit mir hatte machen lassen –,
mit Macht in mein Bewusstsein zurück. All die Demütigungen, all die
Forderungen, der fehlende Dank, die Lieblosigkeit im Umgang mit mir, das konnte
ich plötzlich nicht mehr dulden.
    Was geschieht, wenn einem die Kraft und die Mittel fehlen,
aufzubegehren? Wenn immer noch Hoffnung da ist, die jedoch mit Füßen getreten
wird? Ich begann meinen Ehemann zu verachten. Was er natürlich spürte. Und
nicht duldete.
    Farid ging zum Angriff über und versetzte unserer Beziehung den
Todesstoß. »Denkst du wirklich«, fragte er mich eines Abends, »dass ich dich
gebeten habe, nach Tunesien zurückzukehren, weil mir etwas an dir liegt? Bist
du tatsächlich so blöd zu glauben, dass ich dich gemeint habe?«
    Ich starrte ihn an. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Das hatte er
doch nicht wirklich gesagt. Das hatte ich mir eingebildet. Das konnte nicht
sein!
    Farid fuhr fort. »Du bist mir völlig egal. Das Einzige, was mich
interessiert, ist meine Tochter. Du bist nur ihr überflüssiges, stressiges
Anhängsel. Dich brauche ich hier ganz bestimmt nicht. Hauptsache, meine Tochter
lebt bei mir!«
    Diese Härte, mit der er sprach … In mir breitete sich eine
entsetzliche Schwäche aus, und einige Herzschläge lang befürchtete ich umzukippen.
Ein Teil meines Bewusstseins wartete darauf, dass Farid mich auslachte, weil
ich seinen Scherz mal wieder nicht mitbekam. Vielleicht wollte er auch nur
testen, wie ich reagierte, während die Erkenntnis in mich einsickerte, dass es
gar kein Scherz war. Das war die bittere Wahrheit, vielleicht schon seit Jahren.
    In den nächsten Tagen schleuderte er mir noch viel mehr entgegen,
gerade so, als sei nun eine Schleuse geöffnet und er könne all das loswerden,
was er nur mühsam zurückgehalten hatte. Welcher Hass in ihm steckte. Er musste
mir nicht erst sagen: »Wenn ich dich anschaue, wird mir schlecht, nackt bist du
mir unerträglich«, um unsere körperliche Beziehung zu beenden. Das war sie von
meiner Seite bereits.
    Was tun?
    Weg!
    Wohin? Womit?
    Probieren Sie es aus! Sie können ja jederzeit
zurück. Was soll Ihnen schon passieren?
    Endlich hatte Farid die bittere Wahrheit ausgesprochen. Ich
versuchte, die kreisenden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen, um nicht in das
schwarze Loch aus Verlorenheit zu stürzen.
    Wie konnte ich das alles von Emira fernhalten, die meine Anspannung
sehr wohl bemerkte? Wenn auch meine Beziehung zu Farid ganz offensichtlich
gescheitert war, so sollte mein Kind nicht darunter leiden. Emira sollte eine
glückliche Kindheit verleben, unbeschwert und frei, wie ich selbst sie genossen
hatte. Ich durfte es nicht zulassen, dass die Schwierigkeiten, die ihre Eltern
hatten, ihre kleine heile Welt zerstörten. Inständig hoffte ich, Farid würde
dies genauso sehen, denn er liebte seine Tochter, davon war ich überzeugt.
Wenngleich ich seine Art der Liebe für enorm egoistisch hielt, denn wann
kümmerte er sich denn um Emira? Ich war es doch, die den ganzen Tag mit ihr
verbrachte. Mir war die Vorstellung unerträglich, sie könne unter der
Eiseskälte leiden, die sich in unserem Haus ausbreitete.
    Ich beschloss, Emira so viel Freude wie nur möglich zu machen, um
sie abzulenken. Als ich erfuhr, dass Farid einen Tag lang bei der Ärztekammer
in Tunis sein würde, packte ich unsere Sachen für einen Ausflug mit Elsa ans
Meer. Unterwegs fiel mir ein, dass ich Mohamed einladen könnte. Schließlich
verdankte ich ihm viel. Und da Farid nicht in seiner Praxis war und zufällig
aus dem Fenster sehen würde, wenn Mohamed in mein Auto stieg, war es

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