Flucht in die rote Welt
auch nicht. Am besten ist es, wenn du die Kette vorlegst. Ich klopfe fünfmal lang und dreimal kurz.«
Er nahm den Zimmerschlüssel mit und vergewisserte sich, daß die Tür verschlossen war. Dann fuhr er zu einer Telefonzelle und rief die Polizei an. Er gab an, daß er in Wellerlys Haus am Sunset Way verdächtige Geräusche gehört habe und daß die Wellerlys im Ausland seien. Als der Beamte die erste Frage stellte, legte er auf.
Er fuhr nach Süden in Richtung Miami. Es war dreiviertel sieben. Er hatte das Gefühl, daß er zuviel Zeit vertrödelte.
Die letzten schrägen Sonnenstrahlen fielen über das Wasser, als er in der Nähe der Docks war. Er fuhr den Wagen an den Straßenrand und hielt die Zeit an. Er zog die Schuhe aus und stopfte sie in sein Hemd. Dann nahm er die Sonnenbrille ab und steuerte auf die Docks zu. Ungehindert kam er durch das hohe Eingangstor.
Die Glorianna lag am Ende des Anlegeplatzes, und sie war etwas kleiner, als er erwartet hatte. Sie hatte im Verhältnis zum Deckraum zuviel Kabinenräume und wirkte dadurch etwas plump. Dennoch schien sie sehr seetüchtig zu sein.
Er betrat die Gangway und dann das Deck. Das Schiff war tadellos gepflegt, bequem und luxuriös. Er konnte oben niemanden entdecken. Alle Luken waren geschlossen, also hatte die Glorianna vermutlich eine Klimaanlage. Er versuchte ins Innere zu gelangen, aber in der roten Welt war er hilflos. Ebensogut hätte eine Maus versuchen können, einen Kühlschrank zu öffnen.
Er suchte den Eingang zu den Kabinen, wechselte blitzschnell in die echte Welt und zog die Tür einen Spalt auf.
Er ging hinein und ließ die Tür hinter sich offen. Eine schmale Treppe brachte ihn in einen Korridor. Die Hauptkabine schien sich direkt vor ihm zu befinden. Die Tür war angelehnt. Er stemmte die Schulter dagegen, und es gelang ihm, sie einen Spalt zu öffnen. Charla stand in der burgunderroten Welt, ein Glas in der Linken. Sie sprach mit Joseph. Das Haar hing ihr bis auf die Schultern, und sie trug einen kurzen, offenen Bademantel. Joseph lehnte an einer Holzwand in der Nähe des Bettes. Er hatte die Arme überkreuzt. Sein Gesichtsausdruck war skeptisch. Er trug einen dunklen Geschäftsanzug mit weißem Hemd und bunter Krawatte.
Kirby trat dicht an Charla heran und betrachtete sie. Er hatte schon vergessen, wie makellos ihre Haut war. Aber dann sagte er sich vor, daß er für solche Dinge im Moment keine Zeit hatte.
Er wollte sich schon auf die Suche nach Bonny Lee und Betsy machen, als ihm einfiel, daß es vielleicht von Vorteil war, Charla und Joseph zuzuhören. Wenn sie sich beide hier befanden, wurden die Mädchen wohl in Ruhe gelassen. Er suchte nach einem geeigneten Versteck. Unter dem Bett war Platz genug. Mit der Uhr konnte er die Szene jederzeit anhalten, wenn ihm Gefahr drohte. Er zwängte sich unter das Bett und glättete die Decke.
Er stellte die echte Welt ein, und im nächsten Moment hörte er einen Schwall fremder Worte, die er nicht verstand. Dann ging Charla an die Tür und knallte sie zu. Sie sagte etwas mit harter, befehlender Stimme.
Joseph erwiderte ein paar gleichgültige Sätze.
»Wenn ich sage, daß wir Englisch sprechen, Joseph, dann tun wir es auch. Weshalb ging die Tür auf? René ist der einzige, der fließend Englisch spricht, und er ist nicht an Bord. Ich habe es im Leben nur so weit gebracht, weil ich keinem Menschen vertraue.«
»Nicht einmal dir selbst«, sagte Joseph.
»Wir können in dieser Angelegenheit nicht vorsichtig genug sein. Bitte, mach keine dummen Scherze. Wir haben bei Krepps ein paarmal äußerste Vorsicht angewandt, und immer ging es elend schief. Ich muß wissen, was ihm diese Überlegenheit verschaffte.«
Das Bett quietschte, als sich Joseph setzte. Kirby sah Charlas nackte Füße auf dem Teppich. Sie kamen näher und blieben neben dem Bett stehen.
»Was erwartest du?« fragte Joseph ironisch. »Ein Gerät zum Gedankenlesen? Einen Mantel, der ihn unsichtbar machte?«
»Er hat unsere Gedanken gelesen, Joseph. Er hat unsere Pläne erraten. Er war ein Teufel. Und Winter weiß, worin der Vorteil bestand. Aber er ist nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie der Alte. Wir müssen ihm das Ding abnehmen, bevor er zu gut damit umgehen kann.«
»Das Ding – wenn er es kennt.«
»Ich bin überzeugt davon. Ich sagte dir doch, wie er mit mir umging.«
»Vielleicht hat er geblufft.«
»Nun, ich möchte auf alle Fälle Gewißheit haben.«
Joseph seufzte hörbar. »Es ist immer noch eine
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