Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
auch nicht in Sandwich."
Diana nahm an, daß sich ihr Onkel irrte. Sie glaubte, die Stimme ihrer Schwester zu hören. "Andrew ist anders als die Männer, die wir kennen. Er wird dafür sorgen, daß sein Kind und ich nicht Not leiden müssen."
Selbst wenn Susan ihrem Geliebten nicht nach Indien gefolgt war, er würde wissen, wo sie sich aufhielt. Ganz gewiß hatte er Susan und sein Kind nicht im Stich gelassen. Er hatte ihr sogar einen Ring seiner verstorbenen Großmutter geschenkt. So etwas tat kein Mann, der nur ein flüchtiges Abenteuer suchte.
* * *
Am nächsten Vormittag wurden Mary Jones und Diana von Maud Baxter im französischen Salon des Hauses empfangen, der ihr als Boudoir diente. Diana mußte sich zwingen, nicht ständig ihre Augen neugierig umherwandern zu lassen. Nie zuvor hatte sie einen derart prächtig eingerichteten Raum gesehen. Ihre Füße versanken fast in dem blaugoldenen Savonnerie-Teppich, der den Boden bedeckte. An den Wänden des Salons hingen ebenfalls Teppiche, sie zeigten die Loire-Schlösser. In den blankpolierten Rokoko-Möbeln, die die Einrichtung des Raumes bildeten, hätte sie sich spiegeln können.
Die junge Dame, die in einem weiten, mit Paspeln und Schleifen verziertem Satinkleid halb sitzend auf einem Chaiselongue in der Nähe des Kamins lag und eine Decke bestickte, ließ keinen Zweifel daran, daß die beiden Näherinnen es als unverdiente Ehre betrachten mußten, für sie arbeiten zu dürfen. Zeit ihres Lebens war Maud Baxter von Menschen umgeben gewesen, die darin wetteiferten ihr zu dienen. Sie dachte nicht daran, Mary Jones und Diana Platz anzubieten, während sie mit ihnen sprach.
"Lassen Sie sich von Miss Hadfield das zukünftige Kinderzimmer zeigen, Mrs. Jones", sagte sie von oben herab. "Mrs. Sibley wird ihnen einen der Dienstboten zur Seite geben, damit Sie für Vorhänge und Gardinen die Fenster ausmessen können." Sie wies zu einem Schreibtisch, der am anderen Ende des Raumes stand. "Dort liegt eine Liste mit der Kinderkleidung und der Bettwäsche, die benötigt wird."
Diana holte die Liste und reichte sie Mary Jones.
"Es versteht sich von selbst, daß mein Gatte und ich von Ihnen hervorragende Arbeit erwarten. Wir haben nicht umsonst die besten Stoffe, die auf dem Markt sind, aus London kommen lassen." Sie wandte sich an Diana: "Bist du es gewohnt, mit feinen Stoffen umzugehen, Mädchen?"
Diana zuckte innerlich zusammen. "Ja, Mylady", antwortete sie. "Mein Onkel besitzt eine Schneiderei in London, in der auch Damen der Gesellschaft nähen lassen. Ich habe bei ihm gelernt."
"Nun, Sie sind mir dafür verantwortlich, daß Ihre Helferin gute Arbeit leistet, Mrs. Jones", sagte Maud Baxter. "Und da ist noch etwas. Mein Neffe, Master David, ist inzwischen den Kleidern entwachsen und sollte Hosen tragen. Wir brauchen also auch für ihn eine Ausstattung. Miss Hadfield wird Ihnen darüber nähere Auskünfte geben." Sie legte eine Hand auf ihren gewölbten Leib. "Vergessen Sie nicht, die Kleidung und Wäsche für das Kind, das ich erwarte, haben Vorrang."
"Sie werden mit unserer Arbeit zufrieden sein, Mylady", versprach Mary Jones und neigte leicht den Kopf.
"Das erwarte ich", erklärte Maud Baxter. "Sie können gehen."
"Danke, Mylady." Mary Jones warf Diana einen kurzen Blick zu.
"Danke, Mylady", wiederholte Diana.
Die beiden Frauen verließen den Salon. Als sie sich der Hintertreppe zuwandten, um ins Nähzimmer hinaufzugehen, begegnete ihnen Sir Richard, der aus seinem Arbeitszimmer kam. Ohne Mary Jones und Diana auch nur eines Blickes zu würdigen, durchquerte er die Halle.
"Kein Haushalt, in dem man unsere Arbeit zu schätzen weiß", bemerkte Diana, als sie die Treppe hinaufstiegen.
"Unsere Arbeit schon", widersprach Mary Jones. "Wir sind es, die nicht geschätzt werden. Trotzdem bin ich froh, für die Baxters arbeiten zu können. Sie zahlen besser als die Leute in der Stadt, und ich kann den Verdienst wirklich brauchen."
Sie fanden Miss Hadfield, das Kindermädchen, im Spielzimmer. Sie beaufsichtigte David, der auf einem weißen Schaukelpferd saß und vergnügt eine kleine Peitsche schwang.
"Wie schön Sie zu sehen, Mrs. Jones", sagte Betty Hadfield. Sie legte ihre Handarbeit beiseite und stand auf. "Ich hörte bereits, daß Sie gestern angekommen sind."
"Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Miss Hadfield", antwortete Mary Jones und stellte Diana vor. "Sie ist die Nichte einer guten Freundin und wird einige Zeit bei mir verbringen."
"Dann willkommen auf
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