Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
Baxter Hall, Diana."
"Danke, Miss Hadfield." Diana deutete einen Knicks an.
David kletterte vom Schaukelpferd. "Spielst du mit mir?" fragte er Diana und blickte zu ihr auf. "Magst du Kinder?"
"Master David, wo sind Ihre Manieren?" Miss Hadfield sah den kleinen Jungen streng an. "Mrs. Jones und Diana gehören nicht zum Personal Ihres Großvaters. Sie sind nach Baxter Hall gekommen, um für Sie und das Kind, das Ihre Tante erwartet, Kleider zu nähen. Ein Gentleman sollte niemals seine Manieren vergessen."
Der kleine Junge trat einen Schritt zurück und neigte erst leicht für Mary Jones, dann vor Diana den Kopf. "Bekomme ich Hosen?" erkundigte er sich. "Mein Großvater sagt, ich sei zu alt, um noch Kleider zu tragen."
"Ja, wir werden für Sie Hosen und Hemden nähen, Master David", erwiderte Mary Jones. Sie wandte sich an das Kindermädchen: "Bitte zeigen Sie uns das Zimmer, das für das Kind von Mrs. Baxter bestimmt ist. Bei der Fülle der Arbeit, die auf uns wartet, sollten wir keine Zeit versäumen."
Betty Hadfield griff nach dem Klingelzug. Nur zwei, drei Minuten später betrat ein etwa dreizehnjähriges Mädchen das Kinderzimmer. Schüchtern blieb es bei der Tür stehen. "Bleib bei Master David, Dolly", befahl sie. "Ich habe zu tun."
Die drei Frauen gingen den Korridor entlang und betraten kurz darauf ein sonniges Eckzimmer. Es war bereits mit weißen Möbeln eingerichtet worden. Auf dem Boden lag ein großer blauer Teppich. Unterhalb der hohen Decke spannte sich ein breiter, bunter Fries mit Figuren aus englischen Märchen.
"Mr. und Mrs. Baxter hoffen auf einen Knaben", sagte Miss Hadfield. "Wenn das Kind auf der Welt ist, werde ich es betreuen. Master David wird eine Gouvernante bekommen. Wir erwarten Mrs. Ireton Anfang nächsten Monats."
"Das wird sehr hart für Master David sein", bemerkte Diana. "Er wird nicht verstehen, weshalb Sie nicht mehr für ihn sorgen."
"Es ist auch hart für mich. Master David steht meinem Herzen sehr nahe und ehrlich gesagt, ich kann nicht verstehen, weshalb ich nicht für beide Kinder sorgen soll." Miss Hadfield hob die Schultern. "Mich wundert, daß Sir Richard da zugestimmt hat. Er ist Master David ein ausgesprochen fürsorglicher Großvater."
Während Mr. und Mrs. Baxter nicht sehr viel für ihren Neffen übrig haben, dachte Diana. Jedenfalls konnte sie sich Maud Baxter nicht als liebevolle Tante vorstellen.
"Wenn Mr. Andrew Baxter nach Hause kommt, wird er vielleicht für seinen Sohn anders entscheiden", meinte sie.
"Ich hoffe es", erwiderte das Kindermädchen. "Ich war achtzehn, als mir Master Andrew vor achtundzwanzig Jahren in die Arme gelegt wurde. Zwei Jahre später folgte Master Robert. So jung ich damals noch war, es ist niemals daran gezweifelt worden, daß ich für zwei Kinder sorgen kann. Und auch in den Familien, in denen ich danach gearbeitet habe, gab es stets mehrere Kinder, die mir anvertraut wurden." Ihre Lippen umhuschte ein Lächeln. "Für mich war es der glücklichste Tag seit vielen Jahren, als mir Sir Richard schrieb und mich bat, mich um seinen Enkel zu kümmern. Als ich nach Baxter Hall zurückkehrte, war David bereits sechs Monate alt. Die Amme, die ihn seit seiner Geburt betreut hatte, war krank geworden und mußte in ihr Dorf zurückkehren."
"Miss Hadfield! Miss Hadfield!"
Miss Hadfield öffnete die Tür zum Gang. David fiel ihr in die Arme und schmiegte sich an sie. "Was haben Sie denn, Master David?" fragte sie. "Wo ist Dolly?"
Bevor David antworten konnte, erschien Dolly. Sie wirkte aufgelöst. "Master David ist einfach davongelaufen", stammelte sie halblaut. "Er wollte zu Ihnen, Miss Hadfield."
"Und warum?"
"Ich habe ihm nur erzählt, daß sein Vater bald nach Hause kommen wird", antwortete Dolly.
David hob den Kopf. "Tante Maud hat gesagt, mein Vater wäre ein sehr strenger Mann und nicht einmal Großvater könnte mich vor seinem Stock bewahren."
"Sie müssen keine Angst vor Ihrem Vater haben, Master David", versuchte Miss Hadfield den kleinen Jungen zu beruhigen. "Glauben Sie mir, Ihr Vater ist ein gütiger Mann und er wird Sie sehr lieben."
Mit Hilfe eines der Hausburschen begannen Mary Jones und Diana im Kinderzimmer die Fenster und das Bett auszumessen. Noch am Nachmittag wollten sie mit dem Zuschneiden der Bettwäsche und der Vorhänge beginnen. Diana fragte sich, ob Andrew Baxter wirklich der gütige Mann war, den Miss Hadfield in ihm sah. Weshalb machte Maud Baxter ihrem Neffen Angst vor seinem Vater? Haßte sie David?
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