Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
– Warum? Sie hatte in der Halle des Hauses ein Gemälde gesehen, daß Andrew und Robert Baxter als Knaben zeigte. David schien ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten. Schon aus diesem Grund würde er ihn lieben.
Wie gewöhnlich glitten ihre Gedanken schon nach kurzer Zeit zu ihrer Schwester. Susan hätte sich niemals in einen Mann verliebt, der ihrer Liebe nicht wert gewesen wäre. Sie hatte ihr von Andrew erzählt. Für sie hatte es keinen liebenswerteren Mann als ihn geben können. "Andrew wird mir helfen", hatte sie gesagt. "Er wird dafür sorgen, daß unser Kind und ich keine Not leiden müssen. Also mach' dir keine Sorgen um mich."
Wo bist du, Susan? fragte sie sich. Wo bist du?
* * *
Im Hafen von Sandwich, einem der fünf wichtigsten Häfen Englands, hatte die Wellington angelegt, mit der Andrew Baxter aus Indien heimkehrte. Sein Bruder Robert hielt sich schon seit dem frühen Morgen in Sandwich auf. Vor einer halben Stunde hatte ein berittener Bote die Nachricht gebracht, daß die Brüder in Kürze auf Baxter Hall eintreffen würden.
Mrs. Sibley hatte darauf bestanden, daß auch Mary Jones und Diana zusammen mit dem übrigen Personal vor der Treppe des Herrenhauses Aufstellung nahmen. Erwartungsvoll blickten sie der Kutsche entgegen, die wenige Meter vor ihnen hielt. Der Kutscher kletterte vom Bock und klappte die beiden Stufen hinunter, die den Fahrgästen das Aussteigen erleichtern sollten.
Zuerst verließ Robert Baxter die Kutsche. Um seinem älteren Bruder beim Aussteigen zu helfen, bot er ihm die Hand. Andrew Baxter beachtete sie nicht. Er stieß seinen Stock fest in den Boden und stieg ohne Hilfe aus.
Diana konnte keinen Blick von Andrew Baxter wenden. Nur ein leichtes Hinken verriet, daß er in Indien ein Bein verloren hatte. Er wirkte bei weitem älter als achtundzwanzig. In seinen dunklen Haaren zeigte sich das erste Grau. Nie zuvor hatte Diana einen Menschen gesehen, der soviel Hoffnungslosigkeit ausstrahlte.
Mr. Damery und Mrs. Sibley gingen dem jungen Mann entgegen, um ihm im Namen des Personals auf Baxter Hall willkommen zu heißen. Er antwortete einsilbig, wahrte nur gerade die Höflichkeit, obwohl er den Butler und die Wirtschafterin seit seiner Kindheit kannte. Auf seinen Stock gestützt, gefolgt von seinem Bruder, ging er an den Leuten vorbei, die sich beiderseits der Treppe aufgestellt hatten.
Diana knickste, als Andrew Baxter an ihr vorbeikam. Es fiel ihr schwer, ihn nicht am Arm zu ergreifen, ihn festzuhalten und nach ihrer Schwester zu fragen. Bis zu dieser Stunde hatte sie sich an den irrsinnigen Traum geklammert, Susan und er würden gemeinsam auf Baxter Hall eintreffen.
Andrew Baxter stieg die ersten Stufen der Freitreppe hinauf. Plötzlich blieb er stehen, wandte sich um und starrte Diana an. Wie geistesabwesend strich er sich über die Stirn, bevor er sich den Personen zuwandte, die ihn auf der Veranda erwarteten.
Sir Richard ging seinem ältesten Sohn entgegen und schloß ihn in die Arme. Er hielt ihn so fest, als hätte er schon nicht mehr damit gerechnet, ihn eines Tages wiederzusehen. Schließlich ließ er ihn los und griff nach Davids Hand, der neben seiner Tante mit seinem Kindermädchen stand. "Dein Sohn David", sagte er. "David, dein Vater."
David schaute mit großen Augen zu diesem ernsten Mann auf, der sein Vater sein sollte. Er hatte Angst vor ihm und hätte sich gern hinter seinem Kindermädchen verborgen. Unsicher sah er seinen Großvater an. Dieser nickte ihm ermutigend zu. David holte tief Luft und sagte den Satz, den ihm Miss Hadfield beigebracht hatte: "Ich freue mich, daß du wieder zu Hause bist, Papa."
"Danke, David." Andrew Baxter strich dem kleinen Jungen unbeholfen durch die Haare, bevor er sich seiner Schwägerin zuwandte. Seine Lippen umspielte ein spöttisches Lächeln. "Wie ich sehe, wird es bald einen weiteren Baxter auf dieser Welt geben." Sarkastisch fügte er hinzu: "Meinen Glückwunsch, Maud." Ohne ein weiteres Wort trat er durch das offene Portal in die Halle.
Diana spürte die Enttäuschung, die das Personal empfand. Alle hatten ein paar herzliche Worte erwartet. Sie hörte, wie die Köchin zu einer ihrer Helferinnen sagte: "Hoffentlich findet Master Andrew noch Gefallen an seinen Lieblingsspeisen. Wie es aussieht, hat ihn Indien in einen anderen Menschen verwandelt."
Mary Jones und Diana kehrten in die Nähstube zurück. Bis zum Tee für das Personal, der im Speisezimmer neben der Küche eingenommen wurde, war noch Zeit.
"Was hat
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