Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
sich alles in ihm sträubte, an so etwas zu glauben, er fragte sich, ob ihm Diana womöglich in einem früheren Leben schon einmal begegnet war. "Wie man mir mitteilte, hatte sie sich von der Geburt des Kindes nicht mehr erholt."
"Dann haben Sie ja Ihren Sohn erst nach Ihrer Rückkehr aus Indien kennengelernt", meinte Diana und tat erstaunt. "Master David muß ein großer Trost für Sie sein."
Andrew spürte eine eisige Kälte in sich. "Nicht immer sind die Verhältnisse so wie sie scheinen", bemerkte er hart. "David ist mir fremd."
"Sie sollten Ihrem Sohn nicht die Schuld am Tod Ihrer Gattin geben, Sir", sagte Diana, obwohl es ihr nicht zustand, ihn zu kritisieren.
"Und Sie sollten in Zukunft besser auf Ihre Worte achten, Diana", meinte Andrew Baxter ärgerlich und ging in Richtung Pavillon davon.
Diana starrte ihm nach. Sie hatte einen Fehler gemacht. Sie hätte Andrew Baxter seine Gleichgültigkeit gegenüber David nicht vorwerfen dürfen. Trotzdem fühlte sie sich nicht schuldig. David brauchte seinen Vater. Es wurde höchste Zeit, daß Andrew Baxter einsah, was für ein Unrecht er seinem kleinen Sohn tat.
* * *
Diana drehte sich unruhig in ihrem Bett herum. Im Traum glaubte sie Susan schreien zu hören. Stimmen drangen auf sie ein. Jemand rüttelte sie am Arm.
"Diana... Diana!"
Die junge Frau schlug die Augen auf und blinzelte in das Licht der Petroleumlampe, die auf dem Waschtisch brannte. Es fiel ihr schwer, den Traum abzuschütteln. Draußen war es noch dunkel. "Was ist denn?" fragte sie und richtete sich auf. Aus dem Gang drangen eilige Schritte und gedämpfte Stimmen in die Kammer. "Was ist das für ein Lärm?" Sie wandte den Kopf der Tür zu. "Ist etwas passiert?"
"Das ganze Haus ist wach", antwortete Mary Jones. "Ich war eben draußen. Mrs. Sibley sagte mir, daß bei Mrs. Baxter die Wehen eingesetzt haben und man schon nach der Hebamme und dem Arzt geschickt hätte."
"Hoffentlich geht alles gut", meinte Diana. Sie dachte an eine Nachbarin in London. Auch bei ihr war das Kind zu früh gekommen. Zwei Wochen darauf war sie an Kindbettfieber gestorben.
"Im Speiseraum findet eine Andacht statt", sagte Mary Jones. "Zieh dich an, Diana, in dieser Nacht kommen wir nicht mehr zum Schlafen, auch wenn wir nichts mit der Geburt des Kindes zu tun haben. Ich kenne das schon aus anderen Häusern, in denen ich gearbeitet habe."
Diana kleidete sich in aller Eile an. Sie steckte ihre Haare auf und griff nach ihrer Haube. "Mir tut nur Master David leid", meinte sie. "Er verliert seine Nanny. Wenn sein Vater ihm gegenüber nicht so gleichgültig wäre, würde er dagegen einschreiten."
"Andrew Baxter ist zu sehr in seinem Schmerz gefangen, um Master David wirklich wahrzunehmen", erwiderte Mrs. Jones. "Mit der Zeit wird sich das ändern."
"Nein, das ist es nicht allein", widersprach Diana. "Gerade in seiner Lage müßte ihm sein Sohn ein großer Trost sein." Die Verhältnisse sind nicht so, wie sie scheinen, glaubte sie Andrew Baxter sagen zu hören. Was mochte er damit gemeint haben?
Das Hauspersonal hatte sich im Speiseraum neben der Küche versammelt. Die Küchenmädchen hatten den großen Herd angeheizt, Eimer voller Wasser vom Brunnen ins Haus geschleppt und zum Kochen in großen Kesseln aufgesetzt. Von Zeit zu Zeit kam Anne Lane nach unten, um eine neue Kanne mit heißem Wasser zu holen.
Mr. Damery betrat würdevoll den Speiseraum. Er griff nach der bereitgelegten Bibel und schlug sie auf. Diana beobachtete, wie Bess während der kurzen Lesung verstohlen gähnte. Zusammen mit den anderen betete sie um eine leichte Niederkunft für Mrs. Baxter und ein gesundes Kind. Auch wenn sie nicht allzu viel für Maud Baxter übrig hatte, sie hoffte, daß alles gutgehen würde.
Nach der Andacht stellte die Köchin eine Platte mit Apfelkuchen und eine Schüssel mit Ingwerkeksen auf den langen Tisch. Bess brachte eine große Kanne mit Tee. Mrs. Sibley, die zwischen dem ersten Stock des Hauses, wo sich die Schlafzimmer von Mr. und Mrs. Baxter befanden, hin- und her wanderte, forderte alle auf, tüchtig zuzugreifen, weil es eine lange Nacht werden würde.
"Wollen wir hoffen, daß es bei der Geburt keine Komplikationen gibt", meinte die Köchin und schenkte zum zweiten Mal Tee ein. "Sir Richard wäre es vergönnt, nach all dem Schrecklichen, was in den letzten Jahren geschehen ist, ein weiteres gesundes Enkelkind zu bekommen."
"Was ist denn Schreckliches geschehen, Mrs. Gilton?" erkundigte sich Bess.
"Ich meinte damit
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