Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
Baxter über David zu reden. Mary Jones hatte sie nichts von ihrem Vorhaben erzählt. Ihre mütterliche Freundin hätte gewiß alles getan, um sie daran zu hindern.
Seit der Geburt seines Neffen hielt sich Andrew Baxter noch öfter in seinem Atelier auf als zuvor. In den letzten Tagen hatte ihn Diana kaum noch zu Gesicht bekommen. Es kam ihr vor, als könnte er es nicht tragen, daß dem kleinen Jungen soviel Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Die Fensterläden des Pavillons standen offen. Die junge Frau nahm ihren ganzen Mut zusammen und stieg die beiden Stufen zur Eingangstür hinauf. Sie klopfte. Weil sie befürchtete, Andrew Baxter könnte sie abweisen, trat sie ein, ohne sein 'Herein' abzuwarten.
Ihr Blick fiel auf die Staffelei, neben der Andrew Baxter stand und sie entgeistert anstarrte. "Susan!" stieß sie hervor. "Susan!"
Andrew war mit zwei Schritten bei ihr. Er griff grob nach ihrem rechten Arm. Sie fühlte seine Finger durch den Stoff ihres Kleides. "Was für einen Namen nannten Sie eben, Diana?" fuhr er sie an. "Los, sagen Sie schon!"
Diana hob den Blick und schaute ihm ins Gesicht. "Das Bild, an dem Sie malen, zeigt meine Schwester Susan, Mister Baxter", antwortete sie. "Ich habe Susan seit über vier Jahren nicht mehr gesehen. Wenn Sie wissen, wo Susan ist, sagen Sie es mir bitte."
"Ihre Schwester?" Andrew ließ ihren Arm los. "Susan ist Ihre Schwester, Diana?" Er griff sich an die Stirn. "Daher also! Schon als ich Sie das erste Mal bei meiner Ankunft gesehen habe, kamen Sie mir auf eine seltsame Art und Weise vertraut vor. Sie sehen Ihrer Schwester nicht ähnlich. Es ist nur die Art, wie Sie einen anschauen, wie Sie sprechen, sich bewegen..."
"Wo ist Susan, Mister Baxter?" fragte Diana drängend.
Andrew Baxter runzelte die Stirn. "Wenn Sie Susans Schwester sind, müßten Sie wissen, daß sie verheiratet ist und wo sie lebt", sagte er.
"Ich weiß weder wo Susan ist, noch ob sie verheiratet ist", erwiderte Diana. "Ich hoffte, Sie könnten es mir sagen."
Andrew Baxter wies auf zwei Sessel, die im Hintergrund des Ateliers einem schweren Eichentisch gegenüberstanden. "Setzen Sie sich, Diana", bat er. "Es gibt vieles, über das wir reden müssen." Er griff nach seinem Stock. "Ich würde Ihnen gern etwas anbieten, leider habe ich nur Whisky."
"Ich trinke keinen Whisky."
"Das habe ich auch nicht erwartet." Ein flüchtiges Lächeln erhellte sein Gesicht. Es war das erste Mal, daß ihn Diana lächeln sah.
Die junge Frau setzte sich ihm gegenüber. Sie erzählte ihm vom Tod ihrer Familie und ihrem Wunsch, nach ihrer Schwester zu suchen. "Susan zeigte mir den Ring, den Sie ihr geschenkt haben, Sir. Sie wollte nach Baxter Hall, um Sie um Hilfe zu bitten. Sie meinte, ich sollte mir keine Sorgen um sie machen. Sie würden Sie und Ihr Kind nicht im Stich lassen."
"Susan erwartete ein Kind von mir?" fragte Andrew fassungslos.
Diana nickte. "Mein Vater war ein Mann mit strengen Prinzipien. Er hat sie aus dem Haus gewiesen, als sie ihm ihre Schwangerschaft gestanden hat. Meine Mutter konnte nichts dagegen tun."
"Ein Kind..." Andrew Baxter stand auf. Er stützte sich mit den Händen auf die Rückenlehne des Sessels. "In welchem Monat hat Susan London verlassen?"
Diana sagte es ihm.
"Damals befand ich mich bereits auf dem Weg nach Indien", sagte er. "Ich konnte das Leben auf Baxter Hall nicht länger ertragen. Meine Frau und ich liebten einander nicht. Ruth verstrickte sich immer weiter in ihre Schwermut. Scheiden lassen konnten wir uns jedoch auch nicht. Es hätte einen gewaltigen Skandal gegeben. Mein Vater meinte, einige Jahre Indien würden das Problem schon lösen."
Er lachte verbittert auf. "Hätte ich geahnt, daß es für meine Frau schon längst einen anderen gab, ich hätte es auf den Skandal ankommen lassen. Leider erfuhr ich davon erst, als man mir mitteilte, sie sei guter Hoffnung." Erneut lachte er auf. "Sie können nicht verstehen, weshalb mir David so gleichgültig ist. Nun, er kann nicht mein Sohn sein. Meine Ehe mit Ruth bestand mehr oder weniger nur auf dem Papier. Ruth hat mich betrogen."
"So wie Sie Ihre Gattin mit meiner Schwester betrogen haben", entfuhr es Diana.
Andrew Baxter sah sie empört an. "Wie können Sie es wagen, mir meiner Beziehung zu Ihrer Schwester vorzuhalten. Wie..." Er atmete tief durch. "Gut, Sie haben recht. Ich habe Ruth genauso betrogen."
Diana dachte an das Gemälde, das in der Halle hing. Auch wenn Andrew Baxter bestritt, Davids Vater zu sein, das Bild
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