Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
im Park spielte. In Gedanken schloß er sie in die Arme, küßte sie.
Auch Diana fühlte sich heftig zu Andrew hingezogen. Oft schlief sie mit seinem Namen auf den Lippen ein. Das Leben auf Baxter Hall erschien ihr wie ein Traum. Manchmal konnte sie es kaum glauben, daß David tatsächlich Susans Sohn war. Es machte sie glücklich, für ihn sorgen zu dürfen. Sie hatte mit Sir Richard und Andrew vereinbart, darüber zu schweigen, was ihre Verwandtschaft mit David betraf. Es fiel ihr nicht schwer, denn sie wollte nicht, daß David jemals Bastard genannt wurde. Als Kind von Ruth und Andrew Baxter standen ihm alle Türen offen.
Längst dachte sie nicht mehr daran, daß jemand dem Kind nach dem Leben trachten könnte. In den vergangenen Wochen hatte es keinen weiteren Vorfall mehr gegeben. Maud Baxter haßte David zwar, daran bestand für die junge Frau kein Zweifel, aber ganz sicher würde sie nicht soweit gehen, ihm etwas anzutun.
An diesem Tag wollte David wieder einmal die Statue der Jungfrau Maria in der verfallenen Kapelle sehen. Sie hatte ihm versprochen, daß sie nach seinem Mittagsschlaf zur Kapelle gehen würden. Auf ihrem Weg durch den Park begegnete ihnen Maud Baxter, die seit Richards Geburt jeden Tag mehrere Stunden ausritt, so, wie sie es auch vor ihrer Schwangerschaft getan hatte.
Maud Baxter ritt eine kleine Anhöhe hinauf und blickte von dort aus David und Diana nach, bis sie die beiden zwischen den Bäumen nicht mehr ausmachen konnte. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. "Bastard", murmelte sie vor sich hin. "Verdammter Bastard!" Wie konnte ihr Gatte es zulassen, daß ein unehelich geborenes Kind statt seines eigenen Sohnes eines Tages Baxter Hall erben würde? David hatte kein Recht auf Baxter Hall!
Wütend preßte sie die Hände zu Fäusten. Und blind war ihr Gatte zudem auch noch, sonst hätte er längst die Blicke bemerkt, mit denen sein Bruder Diana Coleman anschaute. Diesmal würde Andrew nicht nach Indien gehen, um die Frau zu vergessen, die er liebte, nein, diesmal würde er aller Widerstände zum Trotz zu seiner Liebe stehen. Diana konnte noch viele Kinder bekommen, Kinder, die sich alle zwischen ihrem eigenen Sohn und Baxter Hall drängen würden!
Diana griff nach dem Riegel, der das schwere Portal der Kapelle verschloß, und schob ihn zurück. Durch die blinden Fenster, die unterhalb des Daches den Innenraum wie einen Kranz umgaben, drang kaum Licht. Es roch dumpf und feucht, obwohl zwischen Boden und Portal eine fünf Zentimeter breite Lücke klaffte, durch die Luft hereinkam.
David schob seine Hand in ihre. Langsam gingen sie an den verrotteten Holzbänken vorbei. Der Boden der Kapelle bestand aus einem einzigen Mosaik, das den Garten Eden darstellte. Der größte Teil von ihm war kaum zu erkennen. Nur hier und dort gab es noch zusammenhängende Teile.
Die Statue stand seitlich des Altars. Ursprünglich war sie einmal weiß gewesen, doch im Laufe der Jahrhunderte nachgedunkelt. Ihr Gesicht wirkte so lebendig, als würde sie jeden Moment mit ihrem Kind, das sie auf dem Arm trug, die Altarstufen hinuntersteigen wollen.
"Mag sie mich, Miss Coleman?" David schaute ehrfürchtig zu der Statue auf.
"Ganz gewiß, Master David", versicherte Diana.
"Warum muß sie hier alleine stehen?"
"Weil die Kapelle nicht mehr benutzt wird und man sie vergessen hat."
"Das macht sie bestimmt traurig. Sie..."
Diana wandte sich um. Mit einem lauten Knall schlug das Portal zu. Gleich darauf hörte sie, wie der Riegel vorgeschoben wurde. "Einen Moment, Master David!" Die junge Frau rannte durch den Mittelgang. Vergeblich versuchte sie, das Portal zu öffnen. "Hallo!" rief sie. "Hallo, Master David und ich sind in der Kapelle!"
Von draußen antwortete ihr ein helles Lachen. Sie hatte zwar Maud Baxter noch niemals lachen gehört, dennoch glaubte sie ihre Stimme zu erkennen. "Mrs. Baxter, bitte öffnen Sie die Tür!" rief sie. "Bitte!"
David hatte inzwischen auch bemerkt, daß etwas nicht stimmte. Er rannte zu ihr. "Was ist denn, Miss Coleman?" fragte er angstvoll, als er sah, wie Diana an der Tür rüttelte. "Sind wir eingeschlossen?"
"Für alle Zeiten", drang von draußen die Stimme Maud Baxter zu ihnen. Erneut lachte sie.
"Bitte, Tante Maud, laß uns raus", bettelte David. "Ich will auch immer gehorsam sein."
Es folgte keine Antwort. Die Geräusche, die von draußen in die Kapelle drangen, konnte Diana nicht deuten. Plötzlich roch sie Rauch. Erschrocken schaute sie sich um. Erst nach einer Weile
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