Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
Lady Victoria ist bei ihm."
"Ich komme sofort, Mason." Ellen trat an ihren Frisiertisch und warf einen Blick in den Spiegel. Sie wollte ihren Eltern nicht schlecht frisiert gegenübertreten. Nachdem sie auch noch den Sitz ihres Kleides kontrolliert hatte, verließ sie ihr Zimmer und stieg die Treppe hinunter.
In der Halle wartete Joshuas Vater. Er hielt seine Mütze in den Händen. Als er Ellen bemerkte, neigte er grüßend den Kopf.
Das junge Mädchen hätte gern ein paar Worte mit ihm gewechselt, doch es erschien ihm nicht ratsam, die Eltern warten zu lassen. So ging es mit einem Gruß an ihm vorbei und klopfte an die Tür des Arbeitszimmers.
"Ja!" ertönte von drinnen die barsche Stimme des Herzogs.
Ellen rann ein Schauer über den Rücken. Sie öffnete die Tür. Auf den ersten Blick erkannte sie, daß Mrs. Mason nicht übertrieben hatte. Auch sie hatte ihren Vater noch nie so wütend gesehen. Sein Gesicht war rot angelaufen, eine steile Falte zog sich von der Nase aufwärts bis unter den Haaransatz. Die Hände zu Fäusten geballt, stand er neben dem Sessel, in dem ihre Mutter mit starrem Gesicht saß.
"Schließ die Tür!" fuhr er sie an.
Ellen folgte rasch seiner Aufforderung. "Ihr habt mich rufen lassen", sagte sie völlig überflüssigerweise und deutete einen Knicks an.
"In der Tat!" donnerte ihr Vater. "Wo bist du gestern nachmittag gewesen?" Er machte zwei Schritte auf sie zu.
Unwillkürlich wich Ellen zurück. Hatte man sie mit Joshua gesehen? War sie von John verraten worden? Nein, John wußte nicht, daß sie sich mit Joshua in der verfallenen Kapelle traf. Oder war er ihr gefolgt? Wieviel wußten ihre Eltern?
"Ich habe dich etwas gefragt, Ellen?" Erneut ballte ihr Vater die Hände. "Los, heraus mit der Sprache! Und glaube nicht, daß du mich anlügen kannst. Notfalls werde ich die Wahrheit aus dir herauspeitschen."
Ellen zweifelte nicht an seinen Worten. Ihre Brüder und sie waren als Kinder oft von ihm geschlagen worden. "Ich bin ausgeritten, Vater", antwortete sie und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
"Ausgeritten? – Und wohin bist du geritten?" Er packte sie bei den Schultern. Unbarmherzig bohrten sich die Augen des Duke of Rowland in die seiner Tochter. "John hat inzwischen gestanden, daß du ihn schon öfters im Wald zurückgelassen hast, um allein weiterzureiten. Zu seinem Glück noch rechtzeitig, sonst hätte ihn Green totgeprügelt." Er ließ sie los. "Also, wohin bist du geritten, Miss?"
Was hätte lügen für einen Sinn gehabt? Ellen machte sich Vorwürfe, den Stallburschen in Gefahr gebracht zu haben. Und nicht nur den Stallburschen? Wie es aussah, kannten ihre Eltern die ganze Wahrheit. Deshalb wartete Joshuas Vater in der Halle. Warum waren sie nicht vorsichtiger gewesen? – Warum?
"Was bist du für ein ehrloses Geschöpf, Ellen?" fragte Lady Victoria. "Ich werde mir nie verzeihen können, ein Wesen wie dich auf die Welt gebracht zu haben."
"Du hast mich nie geliebt, Mutter." Ellen blickte an ihrem Vater vorbei. "Du..."
Der Herzog schlug seine Tochter mitten ins Gesicht. Der Schlag war so heftig, daß sie taumelte. "Wage es nicht, deine Mutter anzuklagen, Ellen!" schrie er sie an. "Ich kann dir sagen, wo du gewesen bist. Du hast dich in der verfallenen Kapelle mit diesem Bradley getroffen. Zufällig hat euch Green beim Verlassen der Kapelle gesehen. Ein glücklicher Zufall hat ihn in die Nähe der Kapelle geführt."
"Ja, wir haben uns in der Kapelle getroffen", gab Ellen zu. "Joshua und ich lieben uns. Wir gehören zusammen. Wir..."
"So einen Unsinn will ich nicht mehr hören, Miss! Die Tochter eines Herzogs und der Sohn eines Gärtners!" Der Duke of Rowland verzog angewidert das Gesicht. Erneut packte er Ellen bei den Schultern. Er schob sie in Richtung seiner Gattin. "Gibt es da etwas, was du uns noch zu sagen hast, Ellen? Hat dich dieser Kerl entehrt?"
Ellen wußte, die Wahrheit durfte sie ihren Eltern unter keinen Umständen gestehen. Wie sie ihren Vater kannte, würde er dafür sorgen, daß Joshua unter irgendeinem Vorwand für den Rest seines Lebens eingesperrt wurde. "Wir haben uns geküßt", sagte sie und bemühte sich, nicht zu weinen.
"Und?" fragte ihr Vater.
"Wir sind nur beieinandergesessen und haben uns gesagt, wie schön es wäre, wenn wir uns nie mehr trennen müßten", antwortete sie und schaffte es, ihrer Mutter in die Augen zu blicken. "Ich werde nie einen anderen Mann lieben", fügte sie trotzig hinzu.
"Du wirst den Mann heiraten,
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