Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
tanzte, dachte sie an Joshua. Sie schmiedete Hunderte von Fluchtplänen, von denen sich keiner verwirklichen ließ, weil sie es nicht zulassen konnte, daß Joshuas Eltern ihr Hab und Gut verloren.
Auf der Rückfahrt nach Rowland Manor sprachen ihre Eltern kein Wort mit ihr. Schweigend saßen sie sich in der Kutsche gegenüber. Nach einer Weile schloß Ellen die Augen und tat, als sei sie eingeschlafen, weil sie das Schweigen nicht länger ertragen konnte.
Gleich nach ihrer Ankunft auf Rowland Manor wurde das junge Mädchen von seinem Vater ins Arbeitszimmer befohlen. Es hatte gerade noch Zeit, dem Butler, der sie in der Halle empfing, seinen Mantel zu reichen.
"Du besitzt also die Impertinenz, Lord Gladstone zu sagen, daß dein Herz einem anderen Mann gehören würde!" stieß der Herzog hervor. "Wie kannst du es wagen, einem so hervorragenden Mann wie Lord Gladstone diese Demütigung anzutun, nachdem wir ihm gestattet haben, dir den Hof zu machen, Ellen? – In welchem Licht läßt das uns erscheinen?"
"Es ist nur verständlich, daß Lord Gladstone nach dieser Eröffnung sofort den Ball verlassen hat", warf Lady Victoria ein. "Anstatt dich glücklich zu schätzen, von Lord Gladstone umworben zu werden, stößt du ihn von dir."
"Was ich ihm gesagt habe, ist nur die Wahrheit gewesen", antwortete Ellen. "Es ist mein Leben, um das es geht. Ich möchte das Recht haben, den Mann zu heiraten, den ich liebe."
"Hat man dir eine derartige Aufsässigkeit gegenüber Menschen, die es gut mit dir meinen, in Silbury Castle beigebracht?" fragte ihr Vater außer sich vor Zorn. Er schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. "Woher kommen dieser Trotz und dieser Eigensinn?"
"Vermutlich aus den Büchern, die sie liest." Lady Victoria streifte flüchtig die Bücher, die in einem Regal hinter dem Schreibtisch standen. "Ellen holt sich ständig Bücher aus der Bibliothek. Ich bin überzeugt, daß das viele Lesen ihre leichtfertige Gesinnung noch fördert."
"Das mag sein." Ihr Gatte nickte. "Ab heute ist dir das Betreten der Bibliothek verboten, Ellen", sagte er. "Alle Bücher, die du noch in deinem Zimmer hast, wirst du morgen vormittag Mrs. Cooper übergeben."
Er griff nach der Bibel, die auf einem mit Intarsien geschmückten Rosenholztischchen am Fenster lag. "Du wirst in Zukunft deine Zeit mit nützlicheren Dingen ausfüllen. Such aus der Bibel alle Stelle heraus, die von den Pflichten der Kinder gegenüber ihren Eltern sprechen und lerne sie auswendig. Ich werde Reverend Wensley beauftragen, dich dahingehend jede Woche zu befragen. Außerdem wirst du für den Tag deiner Hochzeit ein Altartuch sticken."
Der Herzog drückte seiner Tochter die Bibel in die Hände. "Glaube nicht, daß ich ein derartiges Verhalten ein zweites Mal dulden werde. Falls du dich nicht innerhalb kürzester Zeit besinnst, werde ich dich an einen Ort bringen lassen, an dem du froh sein kannst, wenn einmal ein Sonnenstrahl auf dich fällt."
Es kostete Ellen Kraft, ihrem Vater die Bibel nicht vor die Füße zu werfen, doch sie durfte nicht alles noch schlimmer machen.
"Willst du uns nicht wenigstens um Verzeihung bitten, Ellen?" fragte Lady Victoria empört. "Wie kann man nur so verstockt sein?"
Ellen preßte die Lippen zusammen. Weshalb hätte sie ihre Eltern um Verzeihung bitten sollen? Es gab nichts, was sie ihr hätten verzeihen müssen. Sie hatte nur getan, was ihr Gewissen ihr geraten hatte.
"Auf dein Zimmer, Ellen!" Der Duke of Rowland wies zur Tür. "Nutze den Rest der Nacht, um über dein Verhalten nachzudenken. Unsere Langmut hat bald ein Ende."
Das junge Mädchen flüchtete aus dem Raum. Erst als es die Treppe hinauflief, fiel ihm ein, daß es seinen Eltern nicht einmal eine gute Nacht gewünscht hatte. Zornig starrte es auf die Bibel in seinen Händen.
In Ellens Schlafzimmer wartete bereits die Zofe darauf, um ihr beim Auskleiden behilflich zu sein. "Warum müssen Sie Ihre guten Eltern immer so erzürnen, Lady Ellen?" fragte sie, als sie ihr das Korsett aufschnürte.
Wie schnell sich selbst bei Nacht etwas in diesem Haus herumsprach! Ellen verzichtete auf eine Antwort. Stumm schlüpfte sie in ihr Nachthemd und legte sich ins Bett. Mit geschlossenen Augen dachte sie an Joshua und das Leben, das sie hätten führen können, wenn man es ihnen erlaubt hätte.
* * *
"Du gefällst mir gar nicht, Kind", sagte Lady Georgina, als Ellen sie am nächsten Tag besuchte. "Hattest du Streit mit deinen Eltern?" Sie lehnte sich müde in ihren Kissen
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