Flucht ins Ungewisse
Gossen von L.A. passten.
Lora war definitiv anders. Sie strahlte Natürlichkeit und Wärme aus, selbst in dem kühlen blauen Licht hier drinnen. Das genaue Gegenteil von mir , dachte ich und seufzte, beobachtete Syria, wie sie meinen Arm hinauf zu meiner Schulter kroch. Was verdammt noch mal war bloß los mit mir? Warum dachte ich über so etwas überhaupt nach? Überleben war wohl das Einzige, an das ich denken durfte!
Die Schlange wickelte ihr Schwanzende um meinen Oberarm, ihr Kopf ruhte an meiner anderen Schulter. Gelegentlich kostete sie mit ihrer schnellen Zunge die Luft, erforschte ihre Umgebung.
Sie war so was wie das einzig lebende, weibliche Wesen, das mich abgöttisch liebte. Oder sich zumindest freiwillig mit mir abgab. Sofern es eben keine durchgeknallten blonden Schlampen waren.
Erneut seufzte ich.
„Was ist?“
Ich sah hoch. Loras helle Augen bohrten sich in meine. Das Handy hatte sie immer noch in der Hand.
„Nichts“, wehrte ich ab.
Sie rollte mit den Augen. „Na klar“, schnaufte sie. „Wie immer verrätst du mir nichts. Ich dachte, ich hab ein Recht darauf, alles zu erfahren, um mit der Situation besser umgehen zu können?“ Sie zog eine Augenbraue fragend hoch.
Kam jetzt mein Part? „Es ist nichts“, sagte ich, strich über Syrias Kopf, der sich an meinen Hals schmiegte. Genau an der Stelle, an welcher das Siegel war. Wahrscheinlich roch sie dort das gesammelte Blut. Ihr Blut.
Ich spürte, dass Lora mich immer noch ansah.
„Starrst du gern?“ Ja, ich muss gerade reden …
„Ich mach das nicht mit Absicht …“ Sie sah kurz zur Seite, ehe sie meinen Blick wieder aufgabelte. „Ich hasse dieses …“ Sie deutete von mir zu ihr und wieder zurück.
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, wusste, dass sie nur diese seltsame Anziehung zwischen uns meinen konnte. „Daran wirst du dich vorerst gewöhnen müssen! Lenk dich ab, wenn du’s nicht aushältst.“
„Warum hast du ein Sonnenmotiv als Tattoo?“ Sie strich mit ihren Fingern über ihren Hals. Toller Themenwechsel …
„Weil’s mir gefällt“, log ich. Ich hatte keine Lust, schon wieder an meine verquere Vergangenheit zu denken.
„Das glaub ich nicht“, meinte sie, verschränkte die Arme.
So stur!
Ich lehnte mich in dem barhockerähnlichen Stuhl zurück, kreuzte den Fußknöchel über den Oberschenkel. Den Ellbogen stemmte ich auf die schmale Lehne und stützte meinen Kopf lässig mit der Hand. Ein schwaches Lächeln stahl sich in mein Gesicht. „Du bist wohl immer misstrauisch, was?“
Lora sah mich weiterhin stumm an.
„Es war nicht meine Idee“, gestand ich nach einer Pause und betrachtete eine von Loras Haarsträhnen, die sich um ihr schmales Gesicht wand. Sie war wirklich dünn, wie abgemagert. Bestimmt hatte sie schon vor unserem ersten Treffen eine Menge durchgemacht.
Ich nahm Syria von meinen Schultern, hielt sie in den Händen hoch und sah ihr dabei zu, wie sie wieder langsam meinen Arm nach unten kroch.
„Erzählst du mir eigentlich irgendwann einmal, was genau hier überhaupt vor sich geht?“, fragte sie. „Warum ist diese Amanda hinter dir – und jetzt auch noch hinter mir – her? Was kann ich dagegen machen, dass ich gebrochene Seelen sehe? Warum verdammt noch mal hast du überhaupt so ein Blutsiegel?“
Alles Fragen, auf die ich nicht antworten wollte oder nicht konnte.
„Spielst du wieder den großen Schweigsamen? Großartig!“
Ich ließ meine Arme sinken und Syria rollte zischend in meinen Schoß. „Du erzählst mir doch auch nicht alles von dir und es interessiert mich auch nicht!“ Das war gelogen. Aber so war es besser. „Warum willst du in meiner Vergangenheit herumstochern?“ Sollte ich es ihr erzählen? Von Seth? Von Linda und Ben? Von meiner Begegnung mit Amanda? Von meiner erfolglosen Flucht vor dem Leben?
Sie biss sich in die Wange, sah zur Seite. „Wo sind eigentlich Jess und Nick? Wann kommen sie wieder zurück?“
Fragen über Fragen … „Die werden heute nicht mehr kommen. Wahrscheinlich schlafen sie bei Jess.“
Eine von Jess’ jüngeren Schwestern hatte Geburtstag. Sie feierten jedes Jahr alle zusammen, und da Nick für Jess’ Familie schon fast zur Verwandtschaft zählte, musste er immer dabei sein. Er jammerte zwar, würde sich aber nie ernsthaft dagegenstemmen. Dafür war ihm Jess zu viel wert.
Lora trommelte mit den Fingern an ihrem Oberarm. „Heißt dass, ich bin hier mit dir allein? Bis morgen früh?“
Ich warf ihr einen bissigen Blick
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