Flucht ins Ungewisse
Seelenstücke in mich aufnahm. Andererseits hatte ich noch nie Seelenstücke von einem Bewusstlosen genommen.
Lora sank auf die Knie, vergrub ihr Gesicht im Arm ihres Dads. Weinte sie? Durchaus nachvollziehbar.
„Lorianna“, murmelte er. „Sei…“ Er blinzelte. „Pass … auf! Margret ist … nicht …“
Seine Augen flackerten. Ich sah, wie ein Zittern durch seinen Körper jagte. Das fiebrige Gefühl, das mich bis vorhin noch fest in seinem Griff gehabt hatte, ließ langsam nach. Es wirkt also! Meine Kraft kommt zurück.
„Was?“, fragte Lora. „Was ist mit Margret? Hat sie dir das angetan? Dad!“
Doch er antwortete nicht. Konnte es nicht. Er war wieder bewusstlos. Sein Herz klang schwächer als zuvor. Ich ballte eine Faust.
Wird er überleben? Was war das für ein Gefühl vorhin? Dieser Sog … , überlegte ich. Vorerst sollte ich das für mich behalten. Ich sah hoch zu Lora. Ihre schmale, fast dürre Statur löste sich beinah auf, wie sie so neben Jess stand. Sie hat genug um die Ohren.
Lorianna Ambers:
„Ich bin 17 und … ziehe aus!“
Nur wenige Schritte von der gläsernen Drehtür vom Krankenhaus entfernt blieb ich stehen. Matt war der Erste, der es bemerkte und sich zu mir umdrehte. Er sah bereits nach dieser kurzen Zeitspanne, nachdem er das Schimmern von Dad auf sich übertragen hatte, viel besser aus. Gesünder und stärker. Selbst die tiefen Furchen unter seinen Augen waren auf einmal verschwunden. Aber mir ging es ähnlich. Ich hätte Bäume ausreißen oder einen Marathon quer durch die Stadt sprinten können.
„Was ist?“, fragte er.
Es musste bereits um zehn Uhr abends sein. Der Mond war von Wolken bedeckt und die Scheinwerfer der Autos, die nicht enden wollend an uns vorbeirasten, warfen lange Schatten auf den Boden um mich. Es sah aus, als wollten die schwarzen Arme nach mir greifen.
Der Straßenlärm, der die Umgebung des vielstöckigen Gebäudes erfüllte, erlaubte es mir kaum, Matt zu verstehen. Jess und Nick drehten sich nun ebenfalls um.
„Ich …“ Missmutig biss ich mir auf die Unterlippe, wischte den verbliebenen Rest einer Träne aus meinem Gesicht, wobei ich die Narbe an meinem Handrücken wieder bemerkte. Es war Matts Schuld, dass ich in diesem Schlamassel steckte, aber was wäre passiert, wenn ich ihm nicht begegnet wäre? Wenn er mich damals nicht über den Haufen gerannt hätte?
Ich hätte nie angefangen die gebrochenen Seelen anderer zu sehen. Hätte nicht einmal gewusst, wie ich Dad helfen könnte.
Vorausgesetzt es hat geholfen!
Außerdem war ich etwas auf die Schliche gekommen, das unbedingt danach verlangte, ausgeforscht zu werden. Nämlich Margret!
Ich ließ mir Dads Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Das Drängen seiner Stimme. Margret ist nicht …
Ich fixierte Matt. Die schimmernden Kreuze in seinen Augen waren wieder weg, sie waren wieder pechschwarz wie die Nacht selbst. Dafür sah es nun so aus, als hätte er rot glühende Heizstäbe unter der Haut, wo sein Sonnentattoo war. „Ich kann nicht nach Hause.“
Ich sprach leise und hätte schon fast daran gezweifelt, dass er mich verstanden hatte.
Resignierend hob er seine Schultern. „Das kann ich nicht entscheiden.“ Wusste er etwa schon, was ich sagen wollte?
„Was denn?“, rief Nick aus, warf seine Arme in die Luft. „Könntet ihr vielleicht ’ne normale Konversation führen, an der auch wir Unbeteiligte teilhaben dürften?“
Ich schloss zu den anderen auf.
„Ich kann nicht nach Hause“, erklärte ich noch einmal. „Was, wenn Margret nicht die ist, für die sie sich ausgibt?“ Was ich ohne Hintergedanken sofort glaube! „Diese Frau ist es nur wert, dass man sie hasst. Sie ist eine verdammte Schnepfe!“ Jess und Nick starrten mich an, als ich so haltlos vor mich hin schimpfte. Matt hingegen lächelte. Er lächelte ! Ich ignorierte ihn. „Außerdem …“ Ich strich mir eine Haarsträhne aus den Augen. „Ich weiß so gut wie nichts über sie. Wenn ich sie etwas über ihre Vergangenheit frage, weicht sie immer aus oder wechselt das Thema. Sie ist ein Rätsel und ich kann nicht untätig herumsitzen und warten, bis sie ihre Krallen ausfährt und etwas macht, das ich später zu bereuen habe.“ Wie meinen Dad in den Tod treiben.
Nick nickte nachdenklich. Den Blick auf den Schatten tanzenden Boden gerichtet.
„Ich muss herausfinden, wer sie ist! Vielleicht …“ Ich beendete den Satz nur in Gedanken. Vielleicht hat sie auch was mit dem Tod meiner Mum zu tun!
„Es würde
Weitere Kostenlose Bücher