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Flucht nach Colorado

Flucht nach Colorado

Titel: Flucht nach Colorado Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Miles
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gesehen.
    „Ist schon in Ordnung", sagte er. „Ich rase nicht."
    Wieso sollte sie eigentlich diesem gefährlichen Mann in schwarzem Leder vertrauen?
    Plötzlich sah sie Bilder von Heils Angels, Prügeleien und hässlichen Tätowierungen vor sich.
    Trotzdem setzte sie den Helm auf. Schließlich handelte es sich hierbei um Jordan. Er würde sie niemals in Gefahr bringen. Entschlossen kletterte sie hinter ihn und schlang die Arme um ihn.
    Die Harley fühlte sich riesig und mächtig zwischen ihren Beinen an. Als Jordan losfuhr, schrie sie auf. Es war kein angstvoller, lauter Schrei, eher ein kleines Quietschen, doch er hielt trotzdem an. „Emily, Liebling."
    „Ja?"
    „Wir wollen nicht auffallen. Keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Versuch also bitte, weniger Lärm da hinten zu machen."
    „Seit ich dich kenne, tue ich dauernd irgendwelche Dinge, die ich mir nicht einmal in meinen wildesten Träumen hätte vorstellen können."
    „Das weiß ich auch sehr zu schätzen", sagte er geduldig. „Wenn du Angst hast, solltest du vielleicht lieber die Augen schließen."
    „ Ich habe keine Angst." Doch als er wieder losfuhr, zuckte sie erneut zusammen. Er fuhr ein paar Kurven auf dem Parkdeck, und sie setzte sich jedes Mal kerzengerade auf. Sie versuchte es mit Augenzusammenkneifen. Das war noch schlimmer. Nicht schreien. Doch irgendwie musste sie ihre Aufregung herauslassen. Und so flüsterte sie mit zusammengebissenen Zähnen immer wieder: „O Gottogott, o Gottogott, oooh ..."
    Auf der Straße beschleunigte Jordan, und sie klammerte sich in schierer Todesangst an ihn.
    Im Grunde fuhr er nicht viel schneller als ein Fahrrad, aber es kam ihr schneller vor. Die geparkten Autos waren viel zu nah. Sie presste die Knie fest zusammen.
    Jordan mied das Stadtzentrum. Nach ein paar Minuten bogen sie in bedenklicher Schräglage auf eine breite Straße ein. Das Brüllen des Motors war ohrenbetäubend. Er wurde immer schneller. Die Bäume flogen vorbei wie im Schnelldurchlauf. „O Gott, o Gottogott, oooooooh ..."
    Sie hatte das Gefühl, abzuheben. Es war wie Skifahren auf einer schnurgeraden, steilen Piste, wo man jederzeit die Kontrolle verlieren -konnte. Wenn man zum Beispiel plötzlich und völlig unerwartet einen Buckel erwischte und in die Luft geschleudert wurde. Aber die Geschwindigkeit war verführerisch, aufputschend.
    Sie lockerte ihren Klammergriff ein wenig und schloss die Augen. Plötzlich genoss sie den Wind, der an ihr zerrte, in ihren Kragen und die Ärmel hinaufkroch und ihr um die Ohren pfiff.
    Was nun ihren Lippen entfuhr, war ein Lachen, ein hoher, begeisterter, jauchzender Ton.
    Sie liebte diese Harley! Warum hatte sie es noch nie zuvor ausprobiert? Offenbar hatte sie so viel Zeit darauf verwendet, das Richtige zu tun, dass sie dabei jede Menge Spaß verpasste.
    Jordan hatte kommen müssen, um ihr Leben völlig durcheinander zu bringen.
    Ein paar Meilen nördlich von Aspen überquerten sie die glitzernden Fluten des Roaring Fork River und bogen in eine Schotterstraße ein. „Wohin fahren wir?" brüllte sie.
    Er bremste. „Halt dich gut fest. Ab jetzt geht's querfeldein."
    Er fuhr ein paar hundert Meter bergauf, hielt vor einem riesigen Busch und stellte den Motor ab.
    Sie zog sich den Helm vom Kopf. Zwar war es jetzt still, aber der Lärm der Maschine hallte in ihren Ohren nach. Ihre Zähne klapperten noch immer nach der holprigen Fahrt. „F-ffantastisch", stammelte sie.
    „Wir sind zu Hause", sagte er.
    Mit zitternden Beinen stieg sie ab. Jordan zog das Gebüsch auseinander und schob das Motorrad hindurch. Ein paar Meter dahinter lag ein zugenagelter Minenschacht, nicht ungewöhnlich in den ehemals goldreichen Rockys. Jordan zog die Tür in der Bretterverschalung auf und schob das Motorrad hinein. Emily folgte ihm.
    Er reichte ihr eine Taschenlampe. Der Eingangsbereich, ausgekleidet mit verwittertem Holz, bot gerade genug Platz für ein quadratisches, zwei Meter hohes schwarzes Zelt. Hier hauste er?
    „Ist das nicht gefährlich?" fragte sie. „Diese Minenschächte können doch jederzeit einstürzen."
    „Es ist auf jeden Fall sicherer, als irgendwo im Freien ein Zelt aufzuschlagen", antwortete er. „Die Suchtrupps haben aufgegeben, aber die Campingplätze werden nach wie vor kontrolliert, sie warten nur darauf, dass jemand Neues auftaucht."
    Er ging ins Zelt und zündete eine Laterne an. „Mach's dir gemütlich, ich bringe inzwischen das Gestrüpp wieder in Ordnung."
    Emily betrat sein kleines Reich.

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