Flucht nach Colorado
durchs Zentrum von Aspen, wo in schicken Boutiquen alles Mögliche zu völlig überteuerten Preisen angeboten wurde. Der Charme des Ortes entging ihr völlig, so sehr war sie in Gedanken vertieft.
Als sie schließlich ihr Auto erreichte, das sie vor dem Krankenhaus abgestellt hatte, wurde ihr schlagartig klar, dass die Polizei auf ihren alten Landrover aufmerksam geworden war. An der Fensterscheibe hing ein Strafzettel. Wenn sie Pech hatte, bekam sie nun richtig Probleme.
Auf der Rückfahrt nach Cascadia versuchte Emily, positiv zu denken. Sie würde Jordan helfen, das Verbrechen aufzuklären, und er wäre endlich ein freier Mann. Und das wollte sie schon aus ganz egoistischen Gründen. Doch würden sie, wenn die Gefahr erst einmal gebannt war, noch etwas gemeinsam haben? Eines war klar, sexuell verstanden sie sich bestens. Sie begehrte ihn mit jeder Faser ihres Körpers, er hatte sie vollkommen glücklich gemacht. Aber er lebte in Florida, verdammt noch mal. Er hatte schon einmal versucht, eine Ehe mit einer Frau aus den Bergen zu führen, es hatte nicht funktioniert. Konnte sie sich an Palmen und Strände gewöhnen? Oder würde er den Bergen noch eine Chance geben?
Nicht das Pferd beim Schwanz aufzäumen . Zunächst einmal musste sie sich darauf konzentrieren, Beweise zu finden und den Mordfall aufzuklären.
Sie versuchte sich vorzustellen, was am nächsten Tag in dem prunkvollen Haus von Brian Afton geschehen würde. Sie hatte gehört, dass es dort zwanzig Schlafzimmer und sechzehn Badezimmer gab. Marmorböden. Kristallkronleuchter. Echte Chippendale-Antiquitäten.
Allerdings war sie davon überzeugt, dass sie keine Zeit haben würde, das alles zu bewundern.
Sie wollte einen Mörder finden. Und deswegen brauchte sie eine Strategie.
Ihr Gespräch mit Deputy Collins war einfach gewesen, weil sie ihn mit ihrem Wissen unter Druck setzen konnte. Sie hatte nicht subtil vorgehen müssen, was sowieso nicht ihre Stärke war.
Auf der morgigen Party durfte sie nicht so direkt sein. Irgendwie musste sie es schaffen, das Gespräch auf die entsprechenden Themen zu lenken. Auf die Belohnung. Den Zugangscode und die Schlüssel, die man wegen des Sicherheitssystems brauchte. In Seans Fall wollte sie irgendwie auf die Kunstwerke im Haus zu sprechen kommen. Aber wie? Sie war noch nie sonderlich geschickt im Small Talk gewesen, geschweige denn darin, Leuten Informationen zu entlocken.
Wenn sie nur etwas hätte, womit sie die anderen unter Druck setzen könnte ... Aber sicher!
Sie konnte so tun, also ob sie einen Beweis in dem Mordfall hätte. Schließlich wusste keiner, dass das nicht der Fall war.
Es wurde dunkel. Emily schaltete die Scheinwerfer an. Am Straßenrand entdeckte sie zwei Rehe, die ihren Landrover mit angstvollen Augen beobachteten. Kurz blitzten ihre weißen Spiegel auf, dann sprangen sie in den Wald. Emily wünschte, sie könnte ihnen folgen. In den Bergen zu überleben war ihr zur zweiten Natur geworden. Sie gehörte hierher. Und nicht auf eine Jet-Set-Party in Aspen.
Sie stellte sich einen glitzernden Ballsaal vor, in dem Leute miteinander plauderten, deren Haar nie durcheinander und deren Make-up immer perfekt war. Ob auch Prominente eingeladen waren? Filmstars? Was für Essen wohl serviert werden würde? „O mein Gott, was soll ich bloß anziehen?"
Sie brauchte Hilfe. Anstatt zu Spence' Wohnung zurückzufahren, steuerte sie das Haus von Yvonne Hanson an. Sie brauchte dringend ein paar Tipps für ihre Garderobe. Als sie in der Auffahrt parkte, wurde sie von wildem Gebell aus der Hundehütte begrüßt. Schnell öffnete sie das Gartentor. Das vertraute Kläffen hob ihre Stimmung umgehend.
„Pookie!" Mit weit ausgebreiteten Armen ging sie in die Knie. Der kleine Hund raste auf sie zu und begrüßte sie mit einer Begeisterung, die sie beinahe zu Boden riss. „Wie geht es meinem Jungen? Wie geht es meinem kleinen Baby?"
„Nicht wirklich gut", seufzte Yvonne. Ihre Silhouette zeichnete sich im Türrahmen ab.
„Ich schätze, dir geht's wieder besser?"
„Wie?" Zu spät fiel ihr ein, dass sie sich eigentlich immer noch von ihrer Erschöpfung erholen sollte. „Mir geht's gut. Großartig, um genau zu sein."
Ihr Leben war früher so herrlich überschaubar gewesen. Ihre einzigen Probleme bestanden darin, sich um Pookie zu kümmern und jeden Tag irgendwie hinter sich zu bringen. Ihr Leben war einfach gewesen, aber auch leer. Sie bereute es nicht, Jordan getroffen zu haben.
„Ziehst du wieder in dein
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