Flucht nach Colorado
zu.
„Emily", sagte Kreiger „Darf ich Ihnen Sean Madigan vorstellen?"
12. KAPITEL
Zwar war das Verandalicht nicht hell genug, um Madigans Gesicht klar zu erkennen, aber was sie sah, gefiel Emily ganz und gar nicht. Er war groß und muskulös, sein Gesicht jedoch hager mit harten Schatten unter Wangenknochen und Kinn. Es erinnerte sie an einen Totenkopf. Am auffälligsten war sein rötlich braunes, drahtiges Haar, das er in einem Pferdeschwanz trug.
Als er ihr die Hand drückte, zuckte sie vor Schmerz zusammen.
„Sie sind der olympische Skifahrer", sagte sie in der Hoffnung, dass sie mit Small Talk durchkäme.
„Ich war vor acht Jahren im Team, habe mich aber leider vor den Spielen verletzt."
Deputy Kreiger räusperte sich. Sie hatte erneut das Gefühl, dass er sich nicht ganz wohl fühlte. „Schade, dass Sie nie Ihre Chance bekommen haben, Sean. Was für ein Pech."
„Kein Pech, schlechtes Training", korrigierte er sie scharf. „Ich hätte unter diesen Bedingungen niemals auf die Piste gehen dürfen."
Dieser Kommentar verstärkte nur noch Emilys negativen Eindruck. Sie hielt nichts davon, andere Leute für das eigene Unglück verantwortlich zu machen. Sean Madigan war ein unangenehmer Mensch. Aber war er ein Mörder? Hatte er die Frau erschossen, die er einmal geliebt hatte?
Dazu wäre eine Menge Kaltblütigkeit nötig, eine fast unmenschliche Gefühllosigkeit.
Madigans tief liegende blaue Augen schienen zu glühen, als er sie anstarrte. Aber hinter diesen Augen spielte sich nicht allzu viel ab. Er war gefährlich dumm.
Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und schlang die Arme um den Oberkörper, als müsse sie ihre empfindlichen inneren Organe vor einer plötzlichen Attacke schützen. Sie wandte sich an Kreiger, der verglichen mit seinem Freund geradezu ein Vorbild an gesundem Menschenverstand war. „Worüber wollten Sie mich befragen?"
„Sie waren heute in Aspen", sagte er, „um Ed Collins im Krankenhaus zu besuchen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie und Collins sich nahe stehen."
„Ich habe immer eine Verbindung zu den Menschen, denen ich das Leben gerettet habe."
Emily schlug einen tadelnden Ton an und hoffte, damit zu überspielen, wie sehr sie sich von den beiden Männern eingeschüchtert fühlte. „Ich wollte sehen, wie gut er sich erholt."
„Und wie geht es ihm?" fragte Kreiger. „Ihrem professionellen Urteil nach?"
„So gut, wie ich erwartet hatte. Obwohl man bei Knieverletzungen nie so genau weiß."
„Worüber haben Sie gesprochen?"
„Überdies und das." Über Sie. Wir haben darüber gesprochen, dass Sie eine Belohnung angeboten haben. Emily biss sich auf die Lippen, dankbar dafür, dass es dunkel war.
„Collins' Benehmen ist nicht gerade das beste Beispiel für gute Polizeiarbeit in Pitkin County." Kreiger zappelte herum, setzte sich seine Mütze wieder auf. Es schien, dass er-genauso wie sie - versuchte, etwas zu verheimlichen. „Ich sollte das vermutlich nicht sagen, aber er ist dafür bekannt, Lügen zu erzählen, um seine eigene Haut zu retten ..."
„Nicht", unterbrach sie ihn hastig. Ihr war klar, dass Kreiger kurz davor stand, zu lügen, zu bestreiten, dass eine Belohnung überhaupt existierte. Er wollte behaupten, dass Ed Collins sich das Ganze zuammenfantasiert habe. „Sagen Sie es nicht."
„Was?"
Sie wusste, dass er etwas mit der Belohnung zu tun hatte. Zudem war Kreiger derjenige gewesen, der am Flughafen Jordans Handschellen und Fußfesseln gelöst hatte, also musste er ein Teil der Verschwörung sein. Man konnte ihm auf keinen Fall trauen. Trotzdem war sie davon überzeugt, dass er im tiefsten Innern ein anständiger, hart arbeitender Polizist war. Sie hatte ihn oft beobachtet. Bei Rettungseinsätzen war Kreiger furchtlos, jederzeit bereit, sein Leben für einen anderen aufs Spiel zu setzen. Sie hoffte, ihn genau da treffen zu können. „Sie haben vielleicht ein paar Fehler gemacht, aber es ist nie zu spät, seine Meinung zu ändern."
Madigan mischte sich ein. „Fehler? Was meinen Sie?"
Sein feindseliger Ton machte ihr Angst, und beinahe wäre sie damit herausgeplatzt. Die Belohnung.
Emily senkte den Blick, um Madigan nicht ansehen zu müssen. Er war extrem angespannt, starrte sie an wie ein Raubtier, das jederzeit bereit war, ihr an den Hals zu springen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit ihm am besten umgehen sollte.
„Emily!" ermunterte Kreiger sie. „Wovon sprechen Sie?"
Sie flehte ihn stumm an. Eine Belohnung für die Ergreifung
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