Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
mündete der Gang in einem hohen, breiten Raum. Das silbrige Licht aus Aleks Schatulle erhellte nur die nähere Umgebung der Kammer, doch während er den Blick über die Schatten wandern ließ, beschlich ihn der Eindruck, dass es sich um einen riesigen Raum handeln musste, noch größer als jener am Eingang des Berges. Am Rand des Lichts erkannte er auf dem Boden dunkle, rechteckige Gebilde.
»Särge«, sagte Lorn.
»Ja«, bestätigte Michael. »Sie sind klein und nicht mit Gold und Pomp verziert, wie es sich für eine königliche Begräbnisstätte geziemen würde. Das scheint mir die Erste einer Reihe von alten Grüften zu sein, in der man den Kleinadel der Elben des Altertums bestattet hat. Hier ruhen die Fürsten und Fürstinnen der Häuser Rehyn-Tylle und Hahn-nah-Shamyn sowie die Altvorderen des kleinen, aber bedeutenden Hauses Krah-Fallyn. Ich glaube nicht, dass dieser Weg zum Ausgang führt.«
»Bist du sicher?«, hakte Alek nach. »Wenn alles nicht so ist, wie du es in Erinnerung hast, kannst du dir sicher sein, dass diese Gruft noch so ist, wie sie deiner Meinung nach mal war?«
»Nein. Das kann ich nicht.«
»Dann lasst uns weitergehen, wie ich es vorgeschlagen habe«, warf Lorn ein. »Es hat wenig Sinn, so lange umzukehren, bis wir uns sicher sind.«
»Mir gefällt das ganz und gar nicht«, flüsterte Sarah, die unmittelbar hinter Alek ging.
»Mir auch nicht«, sagte Alek. »Aber so sehr ich allmählich an Michaels und Lorns Kenntnissen dieses Ortes zweifle, ich habe keine besseren Einfälle.«
Langsam betraten sie die riesige Kammer. Die Särge reihten sich in einem nach innen hin enger werdenden Kreismuster auf dem Boden aneinander. Zur Mitte hin standen sie auf zunehmend höheren Steinplattformen und wiesen vermehrt Zierwerk auf. Im Raum verteilt ragten dünne Säulen auf, etwas höher als Alek, und an ihnen prangten seit Jahrhunderten dunkle Fackeln. Wieder hörte er ein leises Stöhnen, deutlicher und näher als zuvor. Er schauderte, zumal er diesmal Worte in dem Laut zu vernehmen glaubte.
Bald gingen sie an dem Sarg in der Mitte vorbei. Er war aus Silber gefertigt und mit eingeritzten Sonnen und Blumen verziert. Vier mit eingemeißelten Ranken und Blüten geschmückte Steinsäulen trugen den Sarg, und an jeder der vier Ecken standen kunstvolle Kerzenhalter. Alek bewunderte die Silberarbeiten und fand, dass sie an einem anderen Ort wunderschön gewesen wären. In diesem düsteren Grabmal hingegen wirkten sie kalt wie fernes Mondlicht.
»Das ist die Grabstätte einer recht bedeutsamen Persönlichkeit«, erklärte Michael. »Ich hätte nicht damit gerechnet, so etwas hier vorzufinden. Vermutlich ruht in dem Sarg einer der höchsten Fürsten des Hauses Krah-Fallyn, umgeben von seinen Lehnsmännern und Bediensteten.«
»Mir ist einerlei, wessen Leichnam hier bestattet wurde«, sagte Kraig. »Ich will nur hinaus.«
Als sie an dem beeindruckenden Sarg vorbeischritten, drang abermals das Stöhnen an Aleks Ohren. Er erstarrte; kalte Schauder rasten ihm über den Rücken. Diesmal war er sicher, dass es sich bei dem Laut um eine Stimme handelte, die Worte sprach.
Alek sah seine Gefährten an, die ebenfalls stehen geblieben waren. Michael drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, als versuche er, die Quelle des Geräusches zu bestimmen. Lorn zog sein Schwert, und Kraig griff nach seiner Axt. Sarah klammerte sich unruhig an Aleks Schulter fest.
»Die Toten sprechen«, flüsterte Lorn.
»Beeilung«, drängte Michael. »Wir müssen diesen Ort verlassen.«
Sie drehten sich um und wollten in die Richtung fliehen, aus der sie gekommen waren, doch dunkle Gestalten bewegten sich durch die Schatten auf sie zu. Michael stieß einen leisen Fluch aus und führte sie weiter in das Grabgewölbe.
Geräusche sich verlagernden Steins und das Knarren von Holz erfüllte den Raum, und als Alek zurückschaute, sah er voll Grauen, dass sich Särge langsam öffneten und Deckel von ihnen glitten. Mit einem grellen Blitz erwachte jede Fackel in der Kammer zum Leben; flackernder Flammenschein tänzelte über die hohen Steinwände.
Stimmen hallten durch die Luft – ein Kreischen und Schreien, das anschwoll, je mehr Särge sich öffneten. Unterschiedlich stark verweste Leichname erhoben sich aus ihrer langen Ruhe und stemmten sich mit verrotteten Gliedmaßen aus ihren Särgen. Einige waren in Tücher gehüllt, die ihr Fleisch erhalten sollten, was sie in unterschiedlichem Maße getan hatten. Andere besaßen überhaupt
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