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Flucht übers Watt

Titel: Flucht übers Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Strandkorb-Peter guckte kurz hoch. Dann wandte er den Blick gleich wieder dem vertrauten Dreieck von abgelegten Unterarmen und Bierglas zu.
    »Was darf’s sein?« fragte Wirt Fred förmlich.
    »Kleines Pils.«
    »Und? Wieder Sauerfleisch dazu?«
    »Heute nicht, danke.« Wie oft eigentlich noch?, |207| dachte Harry. Bitte nicht schon wieder Sauerfleisch. Alles andere. Nur kein Sauerfleisch!
    »Ich kann dat Zeug ja auch nicht mehr sehen«, sagte Peter knapp, ohne sich zu ihm umzudrehen.
    Damit erstarb das Gespräch zunächst. Fred zapfte schweigend das Bier. Strandkorb-Peter stierte vor sich hin. Auch die Musikbox blieb heute stumm. Nur das Geräusch der Zapfanlage war zu hören. In der engen Stille des »Klabautermanns« fühlte Harry sich heute Abend eingeschlossen wie in einem U-Boot . Es kam ihm vor, als hing das Fischernetz mit dem Strandgut über ihm jetzt besonders tief.
    Der Wirt legte eine Papiermanschette um den Fuß des Glases und stellte die Tulpe vor ihm auf den Tresen. »Zum Wohl.«
    Harry hatte gedacht, er könnte sich hier einfach hinsetzen und wie die letzten Male bei einem allgemeinen Gespräch zuhören. So hoffte er, vielleicht etwas über Kieseritzkys Fund, den vermissten Fährmann und die Ermittlungen des Kommissars zu erfahren. Das konnte er vergessen. Er starrte auf das Flaschensortiment in dem Regal vor ihm: Vier Sorten Korn, »Küstennebel« und ein Magenbitter – die ganze Bandbreite einer gut sortierten Bar.
    Er hatte überlegt, sich heute früh ins Bett zu legen, um seinen Infekt auszukurieren. Aber nach dem Treffen mit Maja war er irgendwie aufgekratzt. Und so verlockend fand er die Aussicht auf einen Abend in seinem Zimmer in der »Nordseeperle« dann auch nicht. Außerdem befürchtete er, dass ihm wieder Silva Scheuermann mit Kräutertees und zweideutigen Angeboten |208| auf die Pelle rücken würde. Sie hatte ihn eben schon wieder bis auf den Leuchtturm verfolgt. Nachdem er Maja in Wittdün verabschiedet hatte, war die Sonne herausgekommen. So war er zum Sonnenuntergang auf den Turm gestiegen.
    Als er von oben über die Insel guckte, sah er Silva Scheuermann-Heinrich auf einem Hollandrad auf die Zufahrt zum Leuchtturm einbiegen. Sie hatte sein Rad bestimmt gleich erkannt und ihres daneben an den Fahrradständer angeschlossen. Sie trug einen roten Anorak über dem obligatorischen Karibikshirt. Als er sie die Treppe zum Turm hochkommen sah, verließ er sofort den Aussichtsbalkon. Dieser beschränkten Scheuermann wollte er auf keinen Fall begegnen. Maja, Frau Boysen, der Kommissar, die alle ließ er sich gefallen. Aber bitte nicht die Botschafterin von Burkina Faso.
    Harry war die obere Leiter hinabgestiegen. Bevor es auf die richtige Treppe ging, gab es einen Zugang zu dem gläsernen Raum mit der großen Linsenoptik, dem Prismenkorb. Ein gutes Versteck war das nicht. Aber es war für ihn die einzige Chance, der verrückten Scheuermann nicht direkt in die Arme zu laufen. Er wartete ab, bis Silva die Treppen hinauf an ihm vorbeigehastet war. Sie hatte eine erstaunlich gute Kondition. Und sie schien es eilig zu haben, zu ihm auf den Rundbalkon zu gelangen. Er war zunächst leise und dann immer schneller und lauter werdend die Wendeltreppe des Turms hinuntergerannt, auf sein Rad gestiegen und dann, ohne sich umzudrehen, die Auffahrt Richtung Hauptstraße hinuntergefahren.
    |209| Das eiskalte Pils betäubte seinen kratzenden Hals. Er zündete sich eine Zigarette an und fühlte sich gleich besser. Mit dem ersten Zug merkte er die Wirkung des Nikotins im Kopf– stärker als sonst. Das lag sicher an der Erkältung.
    »Mal ’ne Frage.« Jetzt drehte sich der Strandkorbwärter zu ihm um. Er wechselte die Zigarette von der Rechten in die Linke und stützte sich mit der frei werdenden Hand auf den zwischen ihnen stehenden Barhocker, wobei sich der grüne Plastikbezug tiefeindrückte.
    »Der Kumpel, mit dem du neulich da warst, sach mal, das ist doch der, der hier angespült wurde?«
    »Den sie heute Morgen mit ’m Polizeiboot gebracht haben«, schaltete sich Fred gleich ein.
    »Ja, stimmt«, sagte Harry. Er machte ein betrübtes Gesicht und nahm einen Schluck.
    »Peter, was hab ich dir gesacht. Der hat hier gesessen.« Fred zeigte auf den Barhocker neben Harry.
    »Nee, nee, Fred, hier«, protestierte Strandkorb-Peter. Ohne hinzugucken deutete er auf den Platz neben sich und kämmte sich mit den Fingern anschließend einmal durch seine langen blonden Nackenhaare.
    »Traurige Geschichte«, sagte

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