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Flucht übers Watt

Titel: Flucht übers Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wieder nicht. Aber die Preise für die Originale sind nach seinem Tod sprunghaft gestiegen.«
    Harry guckt sich im Atelier um. Maja hat eine erstaunliche kleine Sammlung in ihrem Haus hängen: Beckmann, Klee und den gleichen Matisse noch einmal, den er in den USA vor ein paar Jahren für sie verkauft hat. Harry und Zoe gehen in dem großen Raum umher.
    »Ich weiß, Harry, ›Brücke‹-Maler wären dir lieber. Aber ›Blauer Reiter‹ und französische Fauvisten verkaufen sich international besser. Na ja, wem erzähl ich das.«
    »Aber dieser kleine Klee hier ist einfach wunderbar.« Zoe ist begeistert von dem geometrischen Kopf– schwarze Tusche, in Pastelltönen koloriert.
    |229| Harry und Zoe kennen sich mit Fälschungen mittlerweile aus. Sie wissen, dass diese Kopien fast immer etwas matter wirken, dass die Oberfläche meist nicht die Qualität der Originale hat. Bei Harrys Ahlen-Fälschungen damals war das ohne Belang und bei einigen wenigen Kopien, an denen er sich immer mal wieder selbst versucht hatte, ebenfalls. Aber bei einem Klee gucken potenzielle Käufer schon genauer hin. Und dieser war brillant.
    »Der Klee ist dir gelungen«, sagt Harry mit vollem Mund. »Fast so gut wie dein Butterkuchen.«
    In der einen Hand das Kuchenstück, nimmt er Maja mit der anderen in den Arm. Sie ist tatsächlich eine Matrone gegen die sehnige Zoe. Ihre Ohren wirken irgendwie größer, findet Harry. Aber vielleicht sind das auch nur die auffälligen Ohrringe.
    »Schön, Harry, dass wir uns wiedersehen«, sagt sie. Und zu Zoe gewandt: »Und dass wir uns kennenlernen.«
    »Weißt du, Maja, es gibt einen besonderen Grund, warum wir hier sind. Es geht um den Nolde von damals, du weißt schon, die ›Feriengäste‹. Ich musste das Bild ja auf Amrum zurücklassen.«
    »Ja, ich weiß«, sagt sie.
    Harry stutzt. Er hatte ihr nie etwas davon erzählt. Zumindest hatte er das all die Jahre geglaubt.
    »Woher weißt du?«
    »Na ja, das Bild ist doch damals wieder aufgetaucht.«
    Harry zuckt zusammen und auch Zoe guckt ziemlich überrascht. Das darf nicht wahr sein, denkt er. |230| Sind die ›Feriengäste‹ gar nicht mehr hinter den ›Öömrang wüfen‹ versteckt? Hatte irgendjemand das Bild entdeckt? Sind sie ganz umsonst auf die Nordseeinseln gereist?
    »Wo ist der Nolde gefunden worden?«, fragt er.
    »Ich kann es dir nicht sagen. Ich hab nur gehört, dass die ›Feriengäste‹ wieder im Museum in Seebüll hängen sollen.«
    Harry fällt ein Stein vom Herzen.
    »Im Nolde-Museum. Das Bild haben wir gesehen.« Er sieht Maja prüfend an. »Das ist eine Fälschung.«
    »Wirklich? Bist du dir sicher?« Jetzt guckt Maja etwas verwundert.
    »Absolut«, sagt Harry triumphierend.
    »Woran hast du das erkannt?«
    »Schirmmutze«, sagt Zoe. »So hieß das doch, Harry?«
    »Wieso ›Schirmmutze‹?« Maja ist irritiert.
    »Ich hab es eben einfach gesehen. Ich kenne das Original.«
    »Schade«, sagt Maja und wirkt dabei ziemlich enttäuscht. »Und ich dachte, mir wäre der Nolde ganz gut gelungen.«

19
    Harry war fertig nach der Nacht mit Wilma Feuerstein. Er war völlig übernächtigt und er hatte einen Kater von dem Whisky. Seine Erkältung saß jetzt richtig |231| in den Bronchien. Alle seine Atemwege waren dicht. Trotzdem hatte er irgendwie immer noch diesen beißenden Patchouligeruch in der Nase.
    Er wusste, dass er die offizielle Frühstückszeit sträflich überzogen hatte. Es war fast zehn. Aber er hatte bewusst so lange gewartet, um der verrückten Scheuermann-Heinrich nicht gegenübersitzen zu müssen. Auf der Treppe kam ihm der dicke Hans-Peter Wiese mit der aktuellen ›Bild‹-Zeitung entgegen. Damit sie aneinander vorbeikamen, musste Harry sich dicht an die Wand drängen, dass er durch sein Hemd den rauen Griechenputz spürte und dass eines der Robbenbilder fast von der Wand fiel.
    »Wir sind ja heute groß in der Zeitung«, sagte der Dicke und hielt die zusammengefalteten Zeitungsteile hoch. »Sogar ›Bild‹-Zeitung.«
    Harry erschrak. »Wieso? Was heißt wir?«
    »Na ja, der tote Maler von Sylt. Und der verschollene Fährmann.«
    »Und? Irgendetwas Neues?«
    »Ich glaube, meine Mutter und ich sind zusammen mit dem auf der Fähre gefahren. Als wir hergekommen sind.«
    »Ich meine, gibt es irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
    »Erkenntnisse? Nö.« Der dicke Wiese faltete die Zeitung noch einmal. »Na ja, die vermuten wohl, dass die Toten irgendwie mit diesem Kunstraub zu tun haben.«
    »Ach ja? Weiß man, wieso?« Harry war

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