Flucht vor den Desperados
Saloons hinter ihnen vor & zurück schwangen, warf ich einen Blick in den Saloon hinein. Im schummrigen Schein von Öllampen konnte ich viele Männer vor der Bar aufgereiht stehen sehen & hier und da Spucknäpfe aus Messing. Es waren auch einige Frauen dort, die elegante, tief ausgeschnittene Kleider trugen. Ich nahm an, dass sie gefallene Tauben oder Tänzerinnen waren.
Ich bog links auf die steile Seitenstraße, die Union Street, und wandte mich dann direkt zur A Street, auf der ich rechts und links meine Blicke über die Gebäude wandern ließ. Hier oben, wo nur einige wenige Kiefernholzfackeln neben ein paar unbesetzten Pferdepfosten im Boden steckten, war es ziemlich dunkel.
»Kann ich dir helfen, meine Kleine?«, fragte eine stämmige Frau in Schwarz. Unter ihrem Arm trug sie etwas, das in Zeitungspapier eingewickelt war. Fisch, dem Geruch nach zu urteilen.
»Bitte, Ma’am«, sagte ich freundlich mit einer Kleinmädchenstimme. »Ich suche nach der Zeitung gegenüber vom Recorder’s Office.«
Sie sagte: »Die
Territorial Enterprise
ist direkt da drüben an der nächsten Ecke. Es ist das Gebäude, von dem die Fahnen herabhängen.« Sie tätschelte meine Haube und ging weiter.
Das Licht der Fackeln zeigte mir ein Bauwerk mit zwei schlaffen Fahnen an der Wand, an der Ecke A Street und Sutton gelegen. Es war ein wenig robustes, einstöckiges Holzhaus, und als ich näher kam, konnte ich ein großesSchild erkennen, auf dem stand: REDAKTION DER TERRITORIAL ENTERPRISE. An die hintere Wand des Gebäudes schloss sich eine Art Schuppen mit schrägem Blechdach an, aus dessen Fenster Licht drang.
Das Licht zog mich an. Als ich durch das Fenster spähte, sah ich viele Männer in weißen Hemdsärmeln, die an einem langen Tisch saßen und aßen. Es gab Stockbetten auf jeder Seite. Für mich sah es eher wie eine Pension aus und nicht wie eine Zeitung, also ging ich zum Hauptgebäude zurück.
Auf der Tür waren die Worte PONY EXPRESS EXTRA in großen schwarzen Buchstaben aufgetragen worden. Ich vermutete, die Tür brauchte einen neuen Anstrich, da der Pony Express schon fast vor einem Jahr, als die telegrafische Übertragung eingeführt worden war, den Dienst eingestellt hatte und die Post nicht mehr per Pferd ausgetragen wurde.
Ich drückte die Klinke, und die Tür schwang auf.
Der Raum wurde von einigen Petroleumlampen erhellt und von einem dickbäuchigen Ofen im Hintergrund gewärmt. Auf einer Seite des langen Holztisches stand die eiserne Druckerpresse. (Das konnte ich daran erkennen, dass der Schriftzug darauf WASHINGTON PRINTING PRESS lautete.) Auf der anderen Seite waren einige Rollpulte gegen die Wand geschoben worden.
Zwei Männer befanden sich im Raum. Der eine saß mit dem Rücken zu mir an einem Schreibtisch. Der andere stand am gegenüberliegenden Ende des Tisches und setzte kleine Würfel in eine Art Metalltablett. Der sitzende Mann drehte sich nicht um, aber der andere schaute auf.Seine Haare & sein Bart, beide fuchsrot, waren leicht mit blassgelbem Alkalistaub gepudert, genau wie sein blaues Wollhemd. Er rauchte eine Pfeife, die roch, als wäre irgendein Tier in sie hineingekrochen & in ihr verendet. Er sah eher aus wie ein Goldgräber oder Minenarbeiter und nicht wie ein Reporter. (Ich hatte noch nie einen echten Reporter gesehen, aber ich stellte mir vor, dass sie über und über mit Tinte bekleckst waren und Brillen trugen.)
Als mich der bärtige Mann erblickte, nahm er seine übel riechende Pfeife aus dem Mund & sagte: »Ich fürchte, Sie haben sich in der Tür geirrt, Miss. Der nächste Saloon ist zwei Häuser weiter.«
Der Mann im Stuhl schaute mich über die Schulter hinweg an. Da er mich für ein kleines Mädchen samt rosafarbener Haube hielt, gluckste er. Er hatte ein langes Gesicht & abstehende Ohren. Sein schwarzer Schnurrbart war ebenso ordentlich gestutzt wie sein Ziegenbart. Für mich sah er schon eher nach einem Reporter aus als der Mann mit der übel riechenden Pfeife.
»Ich will nicht in den Saloon«, sagte ich. »Ich suche nach dem Boss hier. Ich habe ein Problem auf Leben und Tod.«
»Beinhaltet dein Problem auf Leben und Tod einen Knüller?«, fragte der staubige Mann mit der übel riechenden Pfeife. »Ich bin hier der Neue fürs Lokale. Es ist mein erster Tag & ich brauche dringend einen Knüller.«
Ich sagte: »Was ist das Lokale und was ist ein Knüller?«
»Der Mann fürs Lokale kümmert sich um die Nachrichten vor Ort«, erklärte er.
»Und ein Knüller?«
»Eine noch
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