Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
Vom Netzwerk:
traurige Erinnerungen zurück.
    Vor dem gemalten Hintergrund standen zwei Stühle mit herabhängenden Fransen an den Lehnen und dazwischen ein Sofa, über das ein Büffelfell drapiert worden war. Es gab auch einen Gegenstand, der wie eine schwarze Ziehharmonika mit Holz und Messing auf jeder Seite aussah. Er war an einem massiven Gestell aus Walnussholz befestigt, das auf gusseisernen Füßen stand.
    »Das ist das Studio von Isaiah Coffin«, sagte Ping. »Er ist der beste Fotograf westlich der Rocky Mountains. Ich arbeite manchmal für ihn. Er ist jetzt nicht hier. Du wartest. Schlaf unter dem Büffelfell da drin.« Er deutete auf eine Tür, die von der Leinwand zur Hälfte verdeckt wurde. »Gibt jede Menge Kostüme dort«, sagte er. »Die lagert er für einen Freund vom Theater. Manchmal verkleiden sich auch Kunden für Bilder. Kostet mehr.«
    Ich zeigte auf die schwarz-hölzerne Ziehharmonika. »Ist das eine Kamera?«, fragte ich.
    Ping ignorierte meine Frage. »Du ziehst dich um! Ich muss jetzt gehen, aber morgen früh bringe ich dich zur
Territorial Enterprise-Zeitung
. Mein Onkel Joe arbeitet da. Sein Boss wird dir helfen, dass du diese Lady und den Tausend-Dollar-Brief wiederfindest.«
    »Woher weißt du von meinem Tausend-Dollar-Brief?«
    »Ich hab gehört, wie du mit der Lady gesprochen hast«, sagte Ping.
    »Warum tust du das?«, fragte ich.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich tue das für Geld«, sagte er. »Ich will die Hälfte . 500 Dollar . Abgemacht?«
    So langsam begann ich, Virginia City zu verstehen. Hier tat nie jemand etwas aus christlicher Nächstenliebe. Je schneller ich hier wegkam, desto besser.
    »Abgemacht?«, wiederholte Ping. Er hatte einen finsteren Blick aufgesetzt, und sogar ich konnte erkennen, dass er wütend war.
    Ich sagte: »Man hat mir weisgemacht, alle Celestials würden ausgeglichen sein und hätten ein ruhiges Gemüt.«
    Sein Blick wurde noch finsterer. »Abgemacht?«, fragte er. » 500 Dollar ?«
    »Na gut. Aber nur, wenn ich für den Brief auch wirklich Bargeld bekomme. Abgemacht?«
    Er streckte mir seine Hand entgegen, und ich drückte sie, obwohl ich Menschen nur ungern berühre.
    Er sagte: »Du bleibst hier. Ich bin früh am Morgen wieder da. Nichts anfassen. Nicht von ihm erwischen lassen, sonst wird er wütend.« Ping gab mir den Schlüssel. »Schließ die Tür ab, wenn ich weg bin.«
    »Bleibst du nicht hier?«, fragte ich.
    Er sagte: »Mein Onkel ist wütend auf mich. Mein anderer Onkel. Hong Wo, nicht Old Joe. Ich muss jetzt gehen, sonst schlägt er mich.«
    Die Glocke läutete, die Tür fiel ins Schloss & mein finster dreinblickender Retter war fort.
    Ich starrte die Tür an. Ich hatte Angst & war müde & hungrig. Meine Pflegeeltern waren tot & skalpiert – und das meinetwegen. Ich besaß nichts, außer einem Steinmesser und einem Detektivknopf und einem Anzug, der mich aussehen ließ wie eine Grille in einer Schale Reis. Hinzu kam, dass sich mir drei mörderische Desperados an die Fersen geheftet hatten.
    Ich dachte: Kann es überhaupt noch schlimmer kommen?
    (Da ich dies hier auf dem Grund einer sechzig Meter tiefen Mine niederschriebe und diese drei Desperados immer noch an meiner Fährte kleben, ist wohl klar, dass es noch erheblich schlimmer werden konnte!)

KONTOBUCHBLATT 14

    Nachdem Ping die Tür hinter sich zugezogen hatte, schloss ich sie wie befohlen ab.
    Dann trat ich durch die offene Tür in die Kostümkammer. Sie roch nach Wolle & Mottenkugeln & Lavendel und sie war mit mehr Kleidung gefüllt, als ich je an einem Ort gesehen hatte.
    Ich erblickte Kostüme aus Samt und Halskrausen wie in dem Shakespeare-Stück, zu dem Ma Evangeline mich einmal mitgenommen hatte. Aber es gab auch moderne Kleidung, die Aufmachung eines Minenarbeiters zum Beispiel – mit kniehohen schwarzen Stiefeln, Leinwandhosen, einem roten Flanellhemd usw. Auch einen Bankdirektor-Anzug gab es und eine Feuerwehruniform, sowie einige Damenkleider einschließlich Korsett & der Gestelle, die unter die Röcke gehören.
    Ich nahm an, dass Isaiah Coffins Theaterfreund ebenso gern moderne wie altmodische Stücke aufführte.
    Die eine Hälfte eines Regals war sogar mit mexikanischer, chinesischer & indianischer Kleidung gefüllt. DieIndianerkostüme waren hübsch: Sie hatten mehr Fransen & Perlen als mein eigener Wildlederaufzug, und es gab sogar einen Kopfschmuck mit Federn.
    Da war der dunkelblaue Überrock eines Union-Offiziers & die dazu passende Hose. Über dem Bügel hing ein

Weitere Kostenlose Bücher