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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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Kind, das gerade mit angesehen hat, wie seine Eltern massakriert wurden«, sagte er. »Du wirkst bemerkenswert ruhig.«
    »Das ist mein Stachel«, sagte ich.
    »Stachel?«
    »Ich kann nicht gut Gefühle ausdrücken. Oder sie bei anderen erkennen.«
    Dan De Quille stand auf und sagte: »Bist du ein Heide oder gläubig?«
    Ich sagte: »Ich bin Methodist. Mein toter Pflegevater war Methodistenprediger, und ich habe seinen Glauben angenommen.« Ich zitierte Matthäus, Kapitel 10, Vers 32: »Wer nun bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater.«
    Dan De Quille nickte & nahm ein staubiges schwarzes Buch aus einem Ablagefach auf seinem Schreibtisch. Er trat näher & hielt es vor mich hin. »Schwör auf diese Bibel, dass du uns nicht verulkst.«
    Ich legte meine rechte Hand auf die Bibel & sagte: »Ich schwöre, und Gott ist mein Zeuge, dass meine Eltern umgebracht und skalpiert wurden.«
    Die beiden schauten einander an.
    Dan De Quille sagte: »Willst du uns erzählen, dass die Paiute-Indianer auf dem Kriegspfad sind? Wann ist es denn passiert?«
    »Ungefähr vor drei Stunden, ungefähr um halb vier Uhr heute Nachmittag«, sagte ich. »Aber es waren nicht die Paiute und auch keine anderen Indianer. Die Schurken, die meine Pflegeeltern umgebracht haben, wollten, dass die Leute glauben, es wären Indianer gewesen. Ich besitzeetwas, das sie haben wollen, und sie verfolgen mich, und deshalb habe ich mich getarnt.« Ich rückte meine Haube zurecht, um sicherzustellen, dass sie auch gerade saß.
    Sam Clemens lehnte sich vor & zeigte mir Ausdruck Nr. 5. Seine schmal zusammengekniffenen Augen hatten eine blaugrüne Farbe & blitzten hell. »Und weißt du, wer die Täter in Wirklichkeit waren?«
    »Man nennt den einen Walt, den Schnitzer. Die Namen von den beiden anderen Männern habe ich nicht mitbekommen.«
    »Ha, ha, ha«, sagte Sam Clemens. »Ein Desperado, der Walt, der Schnitzer, heißt. Das ist ja grandios. Das muss ich mir notieren, für den Fall, dass ich mal einen dieser Groschenromane schreibe.«
    Doch Dan De Quille war kalkweiß geworden.
    »Was ist los, Dan?«, fragte Sam Clemens. »Was hast du?«
    Wortlos stand Dan De Quille auf & ging zu einem Papierstapel hinüber, der neben der Washington Druckerpresse auf dem Tisch lag. Er nahm zwei Blätter von oben herunter & reichte eines davon mir, das andere Sam Clemens. »Wir haben gestern einen ganzen Stapel davon gedruckt«, sagte er, »auf Anordnung von Marshal Bailey.«
    In meinen Händen hielt ich ein WANTE D-Plakat . Das Bild eines Mannes war darauf. Darüber stand: WALT DARMITAGE – ALIAS »WALT, DER SCHNITZER«. Unter dem Bild stand: GESUCHT TOT ODER LEBENDIG. Und darunter: BELOHNUNG 2000 $ .
    Zum ersten Mal erblickte ich das Gesicht des Mannes, der mich töten wollte.

KONTOBUCHBLATT 16

    Das WANTE D-Plakat in meiner Hand zeigte einen hässlichen Mann mit blassen Augen, einer Narbe am Kinn & einem tief hängenden Schnurrbart.
    Der Anblick genügte, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
    Dann fiel mir das Kleingedruckte unter der Belohnungssumme auf. Da stand Folgendes:
Walt, der Schnitzer, reist oft zusammen mit Dubois »Extra Dub« Donahue und Boswell »Boz« Burton. Auf ihre Ergreifung ist eine Belohnung von jeweils 200 $ ausgesetzt
.
    »Ist er das?«, fragte Dan De Quille. »Ist das der Mann, der deine Eltern umgebracht und skalpiert hat?«
    »Ich habe ihn nur von oben und von Weitem gesehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er das ist.«
    Dan De Quille sagte: »Man nennt ihn Walt, der Schnitzer, weil er gerne aus seinen Opfern Teile herausschneidet, bevor er sie umbringt, und weil er dabei oft Walt Whitman zitiert.«
    Ich sagte: »Walt Whitman, der Dichter?«
    Dan De Quille nickte. »Genau. Walt, der Schnitzer, ist der gefürchtetste Desperado im ganzen Territorium. Er versucht, die gesamte Stadt an sich zu reißen. Es passt genau zu ihm, sich als Paiute zu verkleiden und damit Ärger zu machen. Die Leute sind sowieso noch in Alarmbereitschaft nach den Problemen, die wir hier vor zwei Jahren mit den Indianern hatten.«
    »Hol mich der Teufel!« Sam Clemens legte sein Plakat auf den Tisch. »Ein Desperado namens Walt, der Schnitzer, und seine nicht weniger einfallsreich getauften Spießgesellen schlagen in Virginia City zu. Ich meine, in Virginia. Das ist ein Knüller, Dan. Wir holen am besten die Jungs wieder rein und bauen eine neue Titelseite.«
    Ich sagte: »Es war nicht hier in Virginia. Es war unten in

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