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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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unveröffentlichte, aufregende Geschichte.«
    Ich sagte: »Dann würde ich sagen: Ja, ich habe einen Knüller.«
    »Bitte, nehmen Sie Platz, Miss.« Er trat mit langen Beinen vor & zog schwungvoll einen Stuhl unter dem Schreibtisch hervor. Dieser hatte kleine Rollen an seinen Füßen, und ein grünes Kissen lag auf dem Sitz aus Walnussholz.
    »Mein Name ist Sam Clemens«, sagte er. »Und dies dort ist Dan De Quille, der Chefredakteur der Zeitung. Er ist nicht von Belang. Wie auch immer, ich werde dir helfen, wenn du mir hilfst.«

KONTOBUCHBLATT 15

    Der Reporter namens Sam Clemens, der wie ein Goldsucher aussah, setzte sich mir gegenüber.
    »Erzähl mir, kleines Mädchen. Was ist dein Knüller auf Leben und Tod?«
    Ich saß auf dem Stuhl & verschränkte meine Füße, wie es ein wohlerzogenes Mädchen wohl getan hätte. Dann sagte ich: »Meine Eltern sind umgebracht und skalpiert worden, und ich werde von einer Bande Desperados verfolgt. Ich habe mich getarnt«, fügte ich hinzu.
    Der Mann, der Dan De Quille genannt wurde, gab einen Laut von sich, als hätte er sich verschluckt, und wirbelte in seinem Stuhl herum. Sowohl er als auch Sam Clemens starrten mich mit großen Augen an. Ich war mir ziemlich sicher, dass es sich um Ausdruck Nr. 4 handelte: Erstaunen. Auch ihre Kinnladen waren heruntergesackt. Dann lehnte sich Sam Clemens vor & zog mir die Haube vom Kopf. Meine Perücke kam gleich mit herunter.
    »Da hol mich doch der Teufel«, rief er aus. »Du hast dich wirklich getarnt. Du bist ja gar kein kleines Mädchen.Du bist ein Junge und so wie du aussiehst, auch noch zur Hälfte ein Apache.«
    »Sioux«, sagte ich. »Ich bin zur Hälfte Sioux.«
    Dan De Quille gluckste drüben an seinem Tisch. Sam Clemens warf ihm mit schmalen Augen einen Blick zu: »Ist das irgendein Streich von dir, Dan?«, fragte er.
    Dan De Quille zuckte mit den Schultern. »Ich weiß davon nichts.«
    Dann wandte Sam Clemens sich mir zu. »Wer hat dich dazu angestiftet?«, fragte er. »War es Dan da drüben? Oder jemand anderer?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte ich, nahm mir meine Perücke und meine Haube und setzte mir beide fest auf den Kopf. »Ich habe mich aus Sicherheitsgründen getarnt. Ich werde von einer Bande Desperados verfolgt.«
    Dan De Quille gluckste erneut und wandte sich wieder seinem Schreiben zu.
    Sam Clemens dagegen blickte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Das war Ausdruck Nr. 5. Er war entweder wütend auf mich oder dachte nach oder war misstrauisch. Vielleicht auch alles gleichzeitig.
    »Ich bin nicht in der Stimmung für Scherze«, sagte er. »Ich bin gerade erst in Virginia City angekommen. Ich weiß nur, dass die Straßen hier nach dem Alphabet benannt sind und die Atemluft so dünn ist, dass man permanentes Nasenbluten bekommen kann.«
    »Sag einfach nur Virginia, Sam«, warf Dan De Quille ein, »niemand sagt hier Virginia City.«
    Sam Clemens ignorierte ihn. »Ich bin gerade 70 Meilen durch eine völlig menschenverlassene Wüste gewandert.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Dan De Quille, ohne sich umzudrehen. »Ich wette, du hast dich von einem dieser Maultierwagen mitnehmen lassen.«
    Sam Clemens sagte: »Ich habe in den letzten Monaten von Alkaliwasser und Lederstreifen gelebt.« Er klopfte sich auf die Brust, worauf sich eine Wolke gelben Staubs erhob. »Und wie du wahrscheinlich riechen kannst, hatte ich vom Alkaliwasser gerade einmal genug, um davon trinken zu können.«
    »Rindfleisch und schwarzen Kaffee gab’s, soweit ich gehört habe«, sagte Dan Richtung Wand. »Aber dass du dich ein halbes Jahr lang nicht gewaschen hast, glaub ich sofort.«
    »Ich wäre beinahe Millionär geworden, wenn meine Dummheit nicht gewesen wäre«, sagte Sam Clemens und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Na, das mit der Dummheit glaub ich sofort«, sagte Dan und gluckste.
    »Ich habe keine Zeit für Albernheiten«, entgegnete Sam Clemens. »Ich brauche einen Knüller, sonst muss ich diese Geschichte über den vermaledeiten Heuwagen-Stau abgeben.« Er steckte sich die Pfeife in den Mund.
    Ich sagte: »Meine Geschichte ist keine Albernheit. Heute Nachmittag wurden meine Pflegeeltern umgebracht und skalpiert. Als ich sie fand, war meine Ma noch am Leben, aber sie ist dann bald gestorben.«
    Wieder wirbelte Dan De Quille in seinem Stuhl herum & starrte mich mit geweiteten Augen an.
    Sam Clemens’ Augen aber waren zusammengezogen. Wieder Ausdruck Nr. 5. »Du machst nicht den Eindruck,als wärst du ein

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