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Fluchtpunkt Mosel

Titel: Fluchtpunkt Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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und legte ihren Kopf auf Quintus Rücken.
    Wenn der Hund Flöhe hat, dachte Walde, nisten sie sich womöglich in dem Schaffell ein, ohne das Annika niemals schlafen ging.
    »Sollen wir Quintus füttern?« Bei Waldes Worten spitzte der Hund die Ohren.
    »Ja, futtern.« Das Kind sprang hoch und stützte sich dabei auf den Hund.
    »Geh bitte etwas zarter mit Quintus um!« Walde ging voraus zur Terrasse und schüttete dort ein wenig Trockenfutter in den Napf. Annika wollte den Hund beim Fressen streicheln.
    »Lass ihn bitte beim Fressen in Ruhe!«, ermahnte er seine Tochter. »Außerdem heißt es füttern, nicht futtern.«
    »Futtern«, sagte Annika und bückte sich, um genauer beobachten zu können, wie der Hund immer wieder mit der Schnauze aus dem Napf kam und konzentriert das Futter zwischen seinen Zähnen mahlte.
    »Füttern.« Walde kam sich wie ein Oberlehrer vor. Dennoch versuchte er zu erklären. »Wenn du isst, Annika, dann futterst du, und was wir hier machen, ist den Hund füttern.«
    »Futtern«, wiederholte Annika.
    »Komm rein, es ist kalt.« Walde nahm ihre Hand und zog sie behutsam hinter sich her in die Küche. Im Vorbeigehen fiel sein Blick auf das Außenthermometer. Es war auf zwölf Grad geklettert. Es regnete. Da würde auch in der Eifel der Schnee bald wegtauen.
    Im Wohnzimmer sprang die Katze aus einem Sessel. Sie schlich um den Teppich und schnupperte am Boden. Walde ging vor ihr in die Hocke und streichelte sie. Sie war vermutlich im Garten gewesen, während er mit dem Hund unterwegs war. Sie hatten kein Katzenklo in der Wohnung. Falls Minka sich nicht in den Garten traute, würde sie es verdauungsmäßig hoffentlich bis morgen früh aushalten. Das klappte sonst ja auch. Er würde am Morgen früh unterwegs sein und Quintus mitnehmen.
    Die Katze ließ sich länger als üblich streicheln. Annika legte vorsichtig eine Hand auf ihren Rücken. Seitdem sie von Minka gekratzt worden war, hielt sie Abstand.
     
    Nach dem Essen brachte Walde Annika ins Bett. Sie suchte das Buch aus. Seit Wochen dasselbe. Er las ihr die Geschichte von dem kleinen Bär vor, der nicht schlafen konnte und von dem großen Bär immer mehr Lampen auf den Nachttisch gestellt bekam. Walde gefiel die Geschichte mit den schönen Bildern ebenfalls, obwohl er sie fast auswendig kannte.
    Vom Fenster her war ein Scharren zu hören. Quintus’ heller Kopf erschien hinter der Scheibe. Walde sah das Bild des Mannes aus dem einsamen Haus bei Steineberg vor sich. Hatte er vielleicht ebenso des Nachts den Hund am Fenster gesehen und ihn, wenn er sich zu einsam fühlte, ins Haus gelassen?
    »Armer Hund.« Aus Annikas Worten war tiefes Mitgefühl zu hören. Sie nahm den Schnuller aus dem Mund. »Er soll bei mir schlafen.«
    »Das geht nicht.« Walde unterbrach an einer Stelle, wo der kleine Bär schon die x-te Lampe aufs Nachtschränkchen gestellt bekam und es ihm immer noch zu dunkel war.
    »Draußen ist dunkel.« Annika klang weinerlich.
    »Aber du weißt doch, wie hell es draußen ist.« Er blätterte bis zu der Seite vor, wo der große Bär den kleinen Bär vor die Höhle trägt und ihm zeigt, wie viele Sterne den Himmel erleuchten. »Siehst du, draußen ist es gar nicht dunkel.«
    Mitten in der Nacht bemerkte Walde, wie Annika zum ihm ins Bett gekrochen kam. Von nebenan waren die Atemzüge von Doris zu hören. Als er schlafen gegangen war, war sie noch nicht aus dem Büro zurück gewesen.
    Draußen heulte eine Sirene. Es dauerte eine Weile, bis Walde klar wurde, dass das Heulen von Quintus stammte. Es klang gespenstig, wie von einem Wolf. Walde hoffte, dass die Nachbarn nicht geweckt wurden.

Mittwoch, 22. Februar
    Es schien noch wärmer geworden zu sein. Der Nieselregen war in Sprühregen übergegangen, der Walde zum Blinzeln zwang, als er ihm vor der Haustür ins Gesicht wehte. Er verfrachtete den triefend nassen Hund hinten in den Volvo und hoffte, dass er nicht während der Fahrt über die Lehne des Rücksitzes springen würde. Noch bevor er zum Simeonstiftplatz abbog, hatte Quintus es sich bereits hinter ihm auf dem Sitz bequem gemacht.
    So früh am Tag fand er noch einen Parkplatz im Innenhof des Präsidiums. Wie erwartet, hinterließ Quintus einen dunklen Fleck auf dem Polster. In der Ecke lag die Kopfstütze des Beifahrersitzes. Er hatte keine Lust, sie näher zu betrachten. Ohne an der Fensterfront hochzusehen, wo wahrscheinlich in diesem Augenblick einige Kollegen zum Hof herunterglotzten, führte Walde den Hund ins Präsidium.

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