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Fluchtpunkt Mosel

Titel: Fluchtpunkt Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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wollen.«
    »Frau Theis«, ergriff Gabi wieder das Wort. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihr Mann ermordet wurde und zwar vor wenigen Wochen in einem Haus in der Nähe von Daun.«
    Grabbe beobachtete, wie die Frau den Mund öffnete, nach der Keksdose griff, sie wieder absetzte, sich im Nacken kratzte und den Mund offen stehen ließ, ohne zu atmen.
    »Frau Theis, soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«
    Die Frau schien sich aus ihrer Starre zu lösen.
    »Nein, das kann nicht sein. Ali war ganz sicher da unten. Es war unser erstes Weihnachten nach fünfundzwanzig Jahren, das wir nicht gemeinsam verbrachten. Ich hatte ihn überredet, allein zu fahren. Das kann ich mir bis heute nicht verzeihen. Er wollte bei mir zu Hause bleiben. Ich musste wegen einer Operation die Reise stornieren.«
    »Und dann ist er alleine gefahren?«
    »Er hatte sich so darauf gefreut. Im Jahr zuvor waren wir in Peru. Mein Mann interessierte sich ja sehr für alte Stätten. Buddhistische Tempel hatte er noch nie in Natura gesehen.«
    »Phantastische Bauwerke mitten in einer wunderschönen Natur.«
    »Fast das Gleiche stand in seiner letzten Postkarte.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Sie kam erst Tage später an, nachdem diese schrecklichen Bilder immer und immer wieder im Fernsehen wiederholt wurden. Ich dachte, er hätte doch irgendwo überlebt. Aber die Karte war an Heiligabend abgeschickt worden.«
    »Er scheint der Katastrophe entkommen zu sein«, sagte Gabi.
    »Aber mein Mann ist doch …«, die Witwe stockte, »und wenn er tatsächlich erst jetzt gestorben sein sollte, so ist er doch für mich schon tot gewesen.« Sie fasste sich mit beiden Händen an den Kopf und atmete tief ein. »Ich versteh das nicht.«
    »Können Sie uns Fotos Ihres Mannes leihweise überlassen?«, fragte Gabi.
    Der Atem der Frau ging schnell, als sie mit dem Album zurückkam und es von hinten aufschlug. Walde sah ein Foto mit Palmen über grauer Erde und Menschen, die sich Tücher vor die Gesichter gebunden hatten, über denen ernste Augen in die Kamera blickten. Es stammte aus einer Zeitung. Das Bild daneben mit dem lachenden Mann, der in die Kamera prostete, wollte so gar nicht dazu passen.
    Gabi wandte sich an die Witwe. »Frau Theis, ich möchte Sie bitten, uns zur Identifizierung Ihres Mannes zu begleiten.«
    *
    Ein Mann im dunklen Mantel mit einem frei laufenden kleinen Hund kam Walde entgegen. Der Pudel, oder was es auch immer war, blieb kurz vor ihm wie angewurzelt stehen. Walde fasste die Leine fester. Quintus trabte weiter, ohne den unruhig auf der Stelle trippelnden Artgenossen zu beachten.
    Ein paar Minuten später hatte Walde den Malamute ins Auto bugsiert und fuhr mit ihm nach Pfalzel zu Jo und Marie.
    Auf dem Granitpflaster des Hofes stand kein Wagen. Walde ärgerte sich, dass er nicht vorher angerufen hatte. Nach dem zweiten und diesmal energischen Betätigen des Türklopfers öffnete Philipp, Jo und Maries Sohn.
    »Tach.« Philipp schaute an Walde vorbei zum Wagen. »Oh, du hast einen Hund!« Hinter ihm tönte ein Schwall Heavy Metal das Treppenhaus herunter.
    »Nein, also der … sind deine Eltern da?«
    »Nee.«
    »Weißt du, wann sie wieder kommen?«
    »Nee.«
    »Ist das deiner?« Philipp deutete zum Wagen.
    »Nee.«
     
    »Du hast aber lange gebraucht«, sagte Doris.
    »Ich war in Pfalzel«, sagte Walde.
    »Was haben Marie und Jo zu dem Hund gesagt?«
    »Erzähl ich dir später.« Walde ließ sich in Annikas Spielecke nieder und setzte eine der Glasmurmeln aus dem kleinen geflochtenen Körbchen auf die Kugelbahn.
    Er beobachtete, wie die Kugel im Zickzackkurs die Holzrinnen entlang abwärts sauste und ließ eine weitere hinterherlaufen.
    Das Rollgeräusch lockte Annika aus dem Nebenzimmer an.
    »Moch mal!« Sie stellte sich dicht hinter ihn und beobachtete, wie er eine weitere Kugel der Erdanziehungskraft aussetzte.
    »Noch mal«, korrigierte Walde. »Und nimm bitte beim Sprechen den Schnuller aus dem Mund!«
    Von der Diele war Schlüsselgeklirre zu hören. Doris steckte ihren Kopf durch die Tür und warf ihnen eine Kusshand zu. »Bis später.«
    »Schaff nicht zu viel!«, rief Walde ihr nach.
    »Schaff mich viel«, wiederholte Annika.
    »Nicht viel«, verbesserte Walde.
    Sie wandte sich wieder dem Geschehen auf der Kugelbahn zu. »Moch mal.«
    »Noch mal.« Walde ließ in immer dichterer Folge die Kugeln herunterrollen. Annikas Interesse schien nicht nachzulassen. Sie stand dicht neben ihm und schnüffelte.
    Mit einem Seitenblick

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