Fluchtpunkt Mosel
sie.
»Ich erinnere mich, ist er nicht inzwischen zum Direktor aufgestiegen?«
»Wir könnten wegen der Münze gleich vorbeikommen. Grabbe meinte, der Museumstyp würde den Theis wahrscheinlich kennen, schließlich sei er ein Hobbygräber gewesen.«
»Ich komme mit.« Walde kam wieder hoch und klopfte sich den Staub von der Hose.
Sie parkten neben dem Landesmuseum auf einem der mit Autokennzeichen reservierten Parkplätze für Bedienstete. Vor ihnen ragten die kahlen Bäume des Palastgartens über die alte Stadtmauer.
Walde fasste nach dem Aussteigen in seine Jackentasche, um sich zu vergewissern, dass er die im Haus in Steineberg gefundene Münze eingesteckt hatte. Grabbe und Gabi kamen um den Wagen herum.
»Sollen wir da wirklich zu dritt antanzen?«, fragte Gabi.
»Ich denke, zwei Leute reichen«, sagte Grabbe.
»Gut, dann pass bitte auf das Auto auf.« Gabi drückte dem verblüfften Grabbe die Autoschlüssel in die Hand. »Aber verstell nicht wieder den Radiosender!«
Über der schweren Tür zum Verwaltungstrakt war eine Kamera angebracht. Ein Pförtner öffnete ihnen und meldete sie telefonisch beim Direktor an, nachdem sie ihre Dienstausweise gezeigt hatten.
»Wir kennen uns aus«, dankte Walde dem Mann, als dieser ihnen den Weg erklären wollte.
Aus den Fenstern des Treppenhauses konnten sie von Stockwerk zu Stockwerk andere Darstellungen auf dem gewaltigen römischen Grabmal sehen, das sich mitten im Innenhof des Gebäudes bis hoch übers Dach erhob.
»Lange nicht gesehen.« Zelig begrüßte sie in der Tür seines Büros, wo er bereits auf sie wartete. Er wies auf die beiden Besucherstühle, die Walde noch in unbequemer Erinnerung waren.
»Ist schon eine Weile her«, Gabi war noch etwas außer Atem, »dass wir zusammen das unterirdische Trier erkundet haben.«
Walde war ans Fenster zum Innenhof getreten und schaute auf nass glänzende Sarkophage und Bruchstücke von Säulen hinunter.
»Die Zeit vergeht«, sagte Zelig und nahm in einem Ledersessel hinter dem wuchtigen Schreibtisch Platz. »Damals wäre um ein Haar die Porta Nigra in die Luft geflogen.«
»Diesmal geht es um eine Sache, die etwas länger zurückliegt. Ein aktueller Mordfall weist Verbindungen zum Münzfund an der Schwesternklinik auf.« Gabi versuchte, ihren knapp sitzenden Rock ein wenig weiter über ihre Oberschenkel in Richtung Knie zu ziehen.
»Ich arbeite zurzeit an einer Publikation darüber.« Der Museumsdirektor räusperte sich. »Natürlich nicht der Mordfall, sondern über den Münzfund.«
»Ist die noch nicht erschienen?« In dem Moment, als er es gesagt hatte, bereute Walde es schon. Er nahm neben Gabi Platz. Der Stuhl war nicht nur unbequem, er schien seit dem letzten Besuch obendrein noch an Stabilität eingebüßt zu haben.
»Die Umstände ließen es bisher leider nicht zu, alle nötigen Vorarbeiten durchzuführen.« Zelig lächelte.
Sieben Jahre waren seit der Auffindung des mit zweitausendsechshundert Münzen größten römischen Goldfundes schon vergangen, überlegte Walde. Welche Vorarbeiten benötigten so viel Zeit?
Als hätte er die Gedanken des Polizisten gelesen, sagte Zelig: »Da steckt eine ganze Menge Arbeit drin, die sich einem Laien nicht auf den ersten Blick erschließt. Nebenbei geht es auch darum, wie schwer das römische Pfund war.«
»Keine fünfhundert Gramm?«, fragte Gabi.
»Ein Pfund bestand aus 12 Unzen und hatte ab dem Jahre 309 ein Gewicht von genau 72 Aurel, Sie wissen, das sind die römischen Goldmünzen.« Zelig registrierte das Nicken seiner beiden Besucher. »Wir wiegen die Münzen bis aufs Tausendstel Gramm genau ab.«
»Wie gut waren die Waagen der Römer?«, fragte Walde.
»Erstaunlich gut. Bis auf wenige Hundertstel genau. Aber die in Verkehr gebrachten Münzen wurden abgegriffen und haben so Gewicht verloren. Mit dem prägefrischen Trierer Goldschatz bietet sich da eine einmalige Gelegenheit.«
»Aha«, Gabi fiel es schwer, ihr Desinteresse zu verbergen. »Da wird Sie die Münze, die wir dabei haben, kaum in Aufregung versetzen können.«
Walde nahm das Etui aus seiner Jackentasche und ließ es mit dem Daumen aufschnappen.
Zelig beugte sich erwartungsvoll über den Schreibtisch, als Walde den Behälter zu ihm hinüberschob.
»Oh, die Kaiserinnen Sabina und Faustina.« Zelig hielt eine Lupe über die Münze und drehte sie vorsichtig. »Ist etwa um 200 nach Christus geprägt worden.« Er langte hinter sich in ein Regal und zog ein Buch heraus, das Walde auf den
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