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Fluchtpunkt Mosel

Titel: Fluchtpunkt Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Er war froh, im Treppenhaus und auf dem langen Gang zu seinem Büro niemandem zu begegnen.
    »Platz! Quintus, Platz!«, forderte er den Hund auf, kaum dass sie Waldes Büro betreten hatten. Quintus ließ sich nicht im Geringsten von seiner Schnüffeltour zwischen Schrank, der Heizung vor dem Fenster und dem Schreibtisch abbringen, von dem ein Bündel Kabel herunterhing. Walde befürchtete, der Hund könne sich darin verfangen und den Rechner vom Tisch fegen.
    Endlich hatte Quintus unter dem Schreibtisch ein Plätzchen gefunden, wo er sich hinlegte. Walde war es nur noch möglich, mit angezogenen Beinen zu sitzen, aber mit dem Lesen der E-Mails war er schnell fertig. Er ließ den Hund zurück, als er seine Kollegen nebenan im Büro aufsuchte.
    »Du kommst gerade recht«, begrüßte ihn Gabi, die sich zusammen mit Grabbe über einen Tisch beugte, auf dem mehrere Fotos lagen. »Was sagst du zur Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Männern?« Sie reichte ihm zwei Papierabzüge.
    Auf dem ersten war ein Mann mit Halbglatze zu sehen. Er trug eine Badehose, über der sich ein beachtlicher Bierbauch wölbte. Das Gesicht unter der Hornbrille war glatt rasiert.
    Auf dem zweiten Foto erkannte Walde Alfred Mendig, schlank, mit Vollbart und Kopfhaar, ohne Brille.
    »Das erste Foto zeigt Aloys Theis«, sagte Gabi.
    »Und das zweite Alfred Mendig.« Grabbe richtete sich vom Tisch auf. »Beim ersten Hinsehen ist kaum eine Ähnlichkeit zu erkennen. Der Gebissvergleich steht noch aus, aber die Muttermale stimmen überein. Mit Fettabsaugen allein hat er diese Figur nicht hingekriegt. Als Albert Mendig muss der Mann kräftig Sport getrieben haben.« Er zeigte auf die Wange unterhalb des rechten Auges. Walde sah, dass die kleinen Punkte in den Gesichtern auf beiden Bildern übereinstimmten.
    »Aber vom Sport wachsen einem keine neuen Haare«, sagte Gabi.
    »Die hat er sich transplantieren lassen«, klärte Grabbe sie auf.
    »Was habt ihr für einen Eindruck von Frau Theis gewonnen?«, fragte Walde.
    »Die scheint nichts vom zweiten Leben ihres Mannes gewusst zu haben«, sagte Grabbe.
    »Und was meinst du?«, wandte sich Walde an Gabi.
    »Das Gleiche wie ich natürlich«, kam Grabbe seiner Kollegin zuvor. »Was soll die Frage? Gabi und ich waren zusammen da.«
    »Sei bitte nicht so empfindlich, ich werde doch mal fragen dürfen.«
    »Du hättest mitkommen sollen, wenn du uns nicht traust.«
    Walde lauschte. Etwas hatte nebenan gepoltert.
    »Entschuldigung.« Walde ging zur Tür.
    »Bitteschön«, sagte Grabbe.
     
    Von Quintus war nur der Schwanz hinter dem Schreibtisch zu sehen. Dann sah Walde die Bescherung. Auf dem Boden lag der Drucker zwischen Papieren und einem Plastikteil.
    »Mist!« Walde legte Quintus die Leine an.
    Diesmal schien das halbe Kollegium auf den Gängen unterwegs zu sein. Bis zum Keller musste Walde sich immer wieder die gleichen nervenden Fragen anhören, ob er auf den Hund gekommen sei oder ob es sich bei Quintus um seinen neuen Assistenten handele.
    Die Zelle war abgesperrt. Durch den Türspion überzeugte er sich, dass sie nicht belegt war. Walde musste noch einmal hoch und sich den Schlüssel besorgen. Dabei wollte ein Kollege in Uniform wissen, was dem Hund vorgeworfen werde oder ob er zur Ausnüchterung da sei.
    Die kleine Zelle war rundum weiß gefliest. Außer einer Pritsche gab es nur ein Metallklo. Walde führte den Hund hinein, der schnüffelnd über den grau gefliesten Boden tappte. Beim Hinausgehen vergaß Walde, die Rolle Toilettenpapier und eine in Plastikfolie eingeschweißte Decke mitzunehmen.
    Er ließ den Schlüssel draußen in der Tür stecken und besorgte sich oben in der Kantine einen großen Becher Kaffee und ein Brötchen, bevor er wieder in sein Büro zurückging. Er war ohne Frühstück aus dem Haus gegangen, als Annika und Doris noch schliefen.
    Walde hatte den Drucker wieder im Fach unter dem Computer verstaut. Er kniete noch auf dem Fußboden, als Gabi hereinkam.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie von der Tür aus.
    »Ich denke schon.« Walde sah unter dem Schreibtisch hindurch nur ihre hochhackigen Schuhe und die muskulösen Waden. Als er sie kennen gelernt hatte, war sie ziemlich laut und extrem burschikos aufgetreten, ein zuweilen nerviger Spagat zwischen erotisierendem Weibchen und Macho. In letzter Zeit schien sie ihre Impulsivität besser im Griff zu haben.
    »Ich habe Dr. Zelig gesprochen, diesen Numismatiker vom Landesmuseum, der sich für unsere Goldmünze interessiert«, sagte

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