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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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lange in Maimons Garten Eden auf, wo doch noch so viel zu tun war.
    »Ich würde mir gern einmal den Besitz der Swopes ansehen. Ist es eine von den Farmen, an denen wir auf dem Weg hierher vorbeigekommen sind?«
    »Nein. Sie wohnen - wohnten noch ein Stück weiter an der Straße. Das, was wir gesehen haben, waren keine richtigen Farmen. Die Grundstücke sind zu klein, um kommerziell genutzt zu werden. Aber ein paar Leute, die in der Stadt unten arbeiten, wohnen gern hier oben. Sie haben mehr Platz und Freiheit und die Möglichkeit, sind nebenbei ein paar Dollar zu verdienen mit den Früchten der Saison: Kürbisse zu Halloween, Wintermelonen für die asiatischen Geschäfte und Restaurants.«
    Ich erinnerte mich an Houtens plötzliche Verärgerung, als er von der Farmarbeit sprach, und fragte Maimon, ob der Sheriff schon einmal als Farmer gearbeitet habe.
    »In letzter Zeit nicht mehr«, sagte er zögernd. »Ray hatte ein Grundstück, hier in der Nähe. Dort hat er Koniferen gezogen, die er an die Weihnachtsbaumhändler verkaufte.«
    »Besitzt er es nicht mehr?«
    »Er hat es an ein junges Paar verkauft, nachdem er seine Tochter verloren hatte. Und er ist in eine Pension gezogen, einen Block vom Rathaus entfernt.«
    Die Möglichkeit, daß der Sheriff mich belogen hatte, um mich vom Herumschnüffeln in der Gegend abzuhalten, geisterte noch immer durch meinen Kopf. Ich wollte mehr wissen über den Mann, der in La Vista das Gesetz verkörperte.
    »Er hat mir erzählt, daß seine Frau an Krebs gestorben ist. Was ist mit der Tochter passiert?«
    Maimon zog die Augenbrauen hoch und hörte auf, den Labradorhund zu streicheln. Der Hund bewegte sich und knurrte leise, bis sein Herr weitermachte.
    »Selbstmord. Vor vier oder fünf Jahren. Sie hat sich an einer alten Eiche des Grundstücks aufgehängt.«
    Er berichtete es so beiläufig, als wäre der Tod des Mädchens keine Überraschung gewesen. Ich machte eine Bemerkung darüber.
    »Es war eine Tragödie«, sagte er, »aber keine von den Fällen, in denen man einfach sprachlos ist. Maria ist mir stets als ein sehr schwieriges und belastetes Kind vorgekommen. Nicht hübsch, übergewichtig, extrem schüchtern, keine Freunde. Die Nase stets in einem Buch vergraben. Märchen, damals, als ich sie dabei antraf. Ich habe sie nie lächeln gesehen.«
    »Wie alt war sie, als sie starb?«
    »Ungefähr fünfzehn.«
    Wenn sie am Leben geblieben wäre, hätte sie jetzt im gleichen Alter sein müssen wie Nona Swope. Die beiden Mädchen hatten praktisch nebeneinander gewohnt. Ich fragte Maimon, ob es zwischen ihnen irgendwelchen Kontakt gegeben hatte.
    »Das bezweifle ich. Als kleine Kinder haben sie sicher manchmal miteinander gespielt. Aber später nicht mehr. Maria war verschlossen und blieb allein, während Nona mit den wildesten Jungen herumtobte.
    Es gab kaum zwei Mädchen, die sich im Charakter so sehr unterschieden wie die beiden.«
    Maimon stand auf, räumte den Tisch ab und begann das Geschirr zu spülen.
    »Der Verlust von Maria hat Ray sehr verändert«, sagte er, drehte das Wasser ab und nahm sich ein Geschirrtuch. »Und die Stadt mit ihm. Vor seinem Tod war er ein Teufelskerl gewesen. Trank gern, lieferte Kraftproben in den Kneipen, war ein Meister im Armdrücken und erzählte oft unanständige Witze. Als sie das Mädchen vom Baum abschnitten, hat er sich von Grund auf verändert. Er ließ sich von niemandem trösten. Zuerst dachten die Leute, es sei der Kummer, und er würde mit der Zeit darüber hinwegkommen und wieder so sein wie früher. Doch das war nicht der Fall.« Er trocknete eine Schüssel ab, bis sie glänzte. »Seitdem kommt mir La Vista etwas düsterer vor. So, als ob alle auf Ray warten, damit er ihnen die Erlaubnis zum Lachen erteilt.«
    Er hatte das Phänomen der Massen-Anhedonie beschrieben, einer allgemeinen Freudlosigkeit, der Verleugnung allen Vergnügens. Ich fragte mich, ob vielleicht darin der Schlüssel zu Houtens toleranter Haltung gegenüber den in Selbstverleugnung geübten Berührungs-Leuten lag.
    Maimon war mit dem Spülen und Abtrocknen fertig und wischte sich die Hände ab.
    Ich stand auf.
    »Ich danke Ihnen«, sagte ich, »für Ihre Zeit, für die Führung und die Kostproben. Sie haben hier ein Reich von großer Schönheit geschaffen.« Ich streckte ihm meine Hand entgegen.
    Er nahm sie und lächelte.
    »Das hat ein anderer geschaffen. Ich stelle es nur zur Schau. War mir ein Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten, Doktor. Sie sind ein Mensch,

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