Flüchtig!
nun mal mehr als Polizisten, das war so und wird immer so sein, und ich habe mich damit abgefunden. Aber bei so etwas wird einem wieder mal bewußt, was die Frauen alles durchmachen müssen, nicht wahr?«
»Ja.« Ich fragte mich, ob Robin Schwierigkeiten hatte, sich so anzupassen, wie er das beschrieb. Gab es da vielleicht einen inneren Kampf, den ich gefühlloserweise gar nicht bemerkte?
»Auf lange Sicht«, sagte er, »ist es besser, wenn beide sich als Erwachsene fühlen, findest du nicht auch?«
»Ich finde, Milo, daß du ein erstaunlicher Kerl bist.«
Er versteckte seine Verlegenheit hinter der Speisekarte. »Wenn ich mich recht erinnere, gibt es hier gutes Eis.«
»Stimmt.«
Beim Dessert mußte ich ihm mehr über Woody Swope und die Krebskrankheiten bei Kindern berichten. Er war schockiert wie die meisten Menschen, als er hörte, daß es die zweithäufigste Todesursache bei Kindern war. Nur bei Unfällen kamen noch mehr Kinder ums Leben.
Die Technik der Strömungskammern faszinierte ihn sehr, und er stellte mir detaillierte, analytische Fragen, bis mein Fundus an Antworten erschöpft war.
»Monate in einem solchen Plastikwürfel«, sagte er bedrückt. »Und die Kinder drehen nicht durch?«
»Nicht, wenn man es richtig anpackt. Man muß sie stets über Zeit und Raum orientieren und die Familie dazu bringen, daß sie sich so lange wie möglich dort aufhält. Man sterilisiert die Lieblingsspielsachen und Kleidungsstücke und bringt sie hinein, was sehr stimulierend auf die Kinder wirkt. Das Hauptproblem besteht darin, den Unterschied zwischen ihrem gewohnten Heim und dem Krankenhaus so gering wie möglich zu halten - ein solcher Unterschied ist natürlich immer vorhanden, aber man kann ihn einigermaßen ausgleichen.«
»Interessant. Du weißt, was mir da sofort einfällt, nicht wahr?«
»Was denn?«
»AIDS. Das läuft doch nach demselben Prinzip. Geschwächte Widerstandskräfte des Körpers bei Infektionen.«
»Sagen wir, es ist ein ähnlicher Vorgang, aber er ist nicht identisch«, erwiderte ich. »Die Strömungskammer filtert Bakterien und Pilze aus, um die Kinder während der Behandlung zu schützen. Aber der Verlust der Immunreaktion ist bei ihnen nur vorübergehend - nachdem die Chemotherapie beendet ist, kehren die Systeme wieder zu ihren normalen Funktionen zurück. Bei AIDS ist die Störung permanent, und außerdem geht es bei den AIDS-Opfern um andere, schwerwiegendere Gefährdungen: das Kaposi-Sarkom, die Virusinfektionen. In den Kammern wären sie vermutlich für eine Weile sicher, aber nicht für immer.«
»Mag sein, aber du mußt zugeben, daß das eine unglaubliche Vorstellung ist: der Santa Monica Boulevard, gesäumt mit Tausenden von Plastikwürfeln, und in jedem ein armer Teufel, der da drinnen langsam dahinstirbt. Man könnte Eintritt verlangen und genügend Geld auftreiben, um die Arbeit an einer wirksamen Kur zu finanzieren.« Er stieß ein bitteres Lachen aus.
»Der Sünde Sold, wie es in der Bibel heißt.« Dazu schüttelte er wütend den Kopf. »Aber es reicht, um einen zum Puritaner zu machen. Ich höre all die Horrorgeschichten und danke Gott, daß er mich mehr oder weniger monogam geschaffen hat. Rick muß da eine Menge Dreck ertragen, von beiden Seiten. Letzte Woche ist ein Patient in die Notaufnahme gekommen, mit einer Verletzung am Arm, die er sich bei einer Rauferei in einer Kneipe zugezogen hatte, und behauptete, daß Rick schwul sei. Wahrscheinlich eine Vermutung, nichts weiter, denn man sieht es Rick bestimmt nicht an, aber er hat es auch nicht bestritten, als dieses Arschloch wissen wollte, ob es von einem Schwulen behandelt würde. Der Kerl ließ Rick nicht in seine Nähe, plärrte dauernd herum, er könne mit AIDS infiziert werden, und das, obwohl er wie ein Schwein blutete. Also ließ Rick ihn einfach liegen und ging weg. Aber die anderen Ärzte hatten alle Hände voll zu tun - es war Samstagabend, und sie karrten einen nach dem anderen in die Ambulanz. Dieser Vorfall brachte das ganze System durcheinander, und zuletzt waren alle sauer auf Rick. Er wurde bis zum Ende der Nachtschicht von den anderen wie ein verdammter Leprakranker behandelt.«
»Armer Kerl.«
»Armer Kerl - genau das richtige Wort. Der Mann war der beste in seiner Klasse und in Stanford - da soll er sich einen solchen Scheißdreck anhören müssen? Er kam heim in einer verdammt düsteren Stimmung. Und das Verrückteste daran: Ein paar Tage zuvor ist er nach Hause gekommen und hat mir gesagt,
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