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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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zuschoss. Das dumpfe Geräusch des Einschlags drang zu ihm hinauf. In der Tiefe füllte sich die Nacht mit den Blüten farbiger Explosionen, deren Licht in seine Augen biss.
    So unvermittelt, wie er losgebrochen war, ebbte der Sturm ab. Erleichtert begann er zu kreisen und nutzte die Atempause, um den schmerzenden Flügel auszuruhen. Ganz finster war es nicht, denn dort, wo die Explosionen erloschen waren, trieben nun Staubwolken empor, leuchteten in purpurnem und violettem Licht, und verstreute Feuer am Boden glommen wie fortgeblasene Funken. Auch der schwarzblaue Nachthimmel strahlte sein eigenes Licht aus, ließ die Flüsse in der Tiefe glänzen und enthüllte ein Muster von Bäumen … Baumkronen – selbst in dieser Höhe drang das Rauschen der Blätter als ein silbernes Wispern zu ihm empor.
    Eine Kraft erfüllte ihn, lebendig und unkontrollierbar wie der Wind, der ihn trug.
    Er fühlte die Nähe der fliegenden Stadt, dieses gewaltigen, massiven Dings, das jede Luftströmung, jeden zarten Wirbel zerbrach oder ablenkte. Vielleicht hatte er sich verletzt, als er ihr zu nahe gekommen war? Hier sollte er nicht länger bleiben. Es war nicht sicher.
    Unter ihm trieben Steinsplitter dahin. An eines der größeren Trümmer klammerte sich Leben – deutlich sah er den schwachen, rötlichen Schimmer, den der Körper ausstrahlte. Neugierig ließ er sich tiefer herabsinken. Das Wesen roch nach Blut und lähmender Angst. Es war ein Mensch, eine Frau, vielleicht eine Draquerin. Mit aufgerissenen Augen umklammerte sie einen Felsbrocken, der doppelt so groß war wie ihr eigener Körper. Noch hielt sie sich fest und ließ sich vom Rest der Magie tragen, die noch im Gestein gespeichert war, doch sobald ihre Kräfte schwanden, würde sie in die Tiefe stürzen. Etwas an ihr erschien ihm bekannt, und als sie mit einem plötzlichen Ruck den Kopf hob und ihn anstarrte, drängte es ihn, sich ihr zu nähern, sie zu berühren und von ihr berührt zu werden. Er verstand nicht, weshalb, doch er wusste, dass er ihr helfen musste.
    Der Platz auf dem Felsen reichte kaum aus für eine Landung, und seine Krallen rutschten an der glatten Oberfläche ab. Um nicht abzustürzen, musste er heftig flattern, und bei jeder Bewegung durchfuhr ein Stich seinen steifen Flügel. Offenbar erkannte die Frau, welche Gelegenheit sich bot, denn sie packte seine Beine, zog sich an ihm empor und krallte sich in sein Gefieder. Ihr Körper war heiß, und ihre Nähe traf ihn wie der Luftstrom über einem brennenden Wald. Im gleichen Augenblick spürte er, dass er seine Kräfte überschätzt hatte. Ihr Gewicht zerrte an ihm, zog ihn in die Tiefe, und obwohl er heftig mit den Flügeln schlug, konnte er sich nicht länger in der Luft halten. Sie stürzten, stürzten durch eine blaue Nacht und violette Staubwolken, und alles, was er tun konnte, war, darum zu kämpfen, den Fall ein wenig zu verlangsamen.

11
    Der Wald
    B itter. Süß. Salzig. Erde knirschte zwischen Adeens Zähnen. Er blinzelte. Graues Licht mit einer Spur von Gelb. Verschwommene Formen zitterten vor seinen Augen. Mit vagem Unglauben erkannte er, was es war: Grashalme. Sie glichen denen, die sich wild zwischen den Feldern und den Steinen der verlassenen Straßen auf Rashija angesiedelt hatten. Nur wuchsen diese hier dicht an dicht, und wenn der Wind hindurchstrich, bebten sie leicht. Eine zarte Hülle von Rauhreif schloss sie ein und verlieh ihnen einen matten, unwirklichen Glanz.
    Erst jetzt wurde Adeen bewusst, wie sehr er fror. Die Kälte musste ihn geweckt haben. Er hob den Kopf und rang nach Atem, als ein feuriger Schmerz durch seinen Rücken fuhr. Mühsam setzte er sich auf und blickte sich um.
    Eine Weile saß er nur da und starrte auf das Wunder ringsum.
    Bäume umgaben ihn, so viele. Ihre Äste verzweigten sich hoch über seinem Kopf und sperrten einen Teil des Lichts aus, so dass ein fahler, schwachgoldener Dämmer herrschte. Einzelne Blätter segelten um Adeen zu Boden. Sogar auf seinen Körper waren sie gefallen, wie um ihn zuzudecken. Er griff nach einem davon und betrachtete es. Es war gelb mit grünen und roten Sprenkeln, so intensive Farben, wie er sie bisher nur von Bildern kannte. Langsam ließ er das Blatt sinken, überwältigt von der Erkenntnis, dass es nur eines von unzähligen war.
    Ich bin tot,
war sein erster klarer Gedanke. Erzählte man sich nicht, dass die Seelen der Toten an einen Ort voller Schönheit reisten?
    Er richtete sich auf und verzog das Gesicht. Seine Muskeln in

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