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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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gehört hatte, doch zumindest Yoluan zog seine Rolle aus dem Gürtel. Einige Magier schienen zu bemerken, was vor sich ging, denn sie stürzten sich erneut auf die Rebellen und versuchten, ihnen die rettenden Zauber zu entreißen. Adeen achtete nicht auf sie. Er wusste, dass Talanna keinen Zauber für sich selbst behalten hatte, und hoffte, dass seiner für sie beide ausreichen würde.
    Er streckte Talanna die Schriftrolle hin. »Lies du vor! Wir halten uns aneinander fest.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das wird nicht funktionieren. Wir sind noch zu weit vom Boden entfernt. Die Zauber werden ihre Wirkung verlieren, während wir noch fallen.«
    »Aber Nemiz hat gesagt …«
    »Nemiz versteht nichts von diesen Dingen.«
    »Aber du …«
    »Wir haben beide gelogen. Die Zauber werden nicht für uns alle ausreichen. Du hast einen, also springst du. Ich komme schon zurecht.«
    »Du kommst zurecht?« Adeen schrie fast. »Du wirst sterben! Nein, wir versuchen es gemeinsam.«
    Statt einer Antwort legte sie beide Hände auf seine Wangen und küsste ihn. Die feurige Wärme ihres Körpers sengte sich in seine Haut, trotzdem war ihre Berührung diesmal sehr sanft. Noch nie hatte ihn eine Frau geküsst, nicht so, und ihm schien es, als wäre er für diesen kurzen Moment an einem anderen Ort, wo die Welt um sie nicht schwankte und zerbrach.
    Ehe er auch nur daran denken konnte, den Kuss zu erwidern, hatte sie sich bereits von ihm gelöst und musterte ihn mit ihrer undurchschaubaren Miene. Ihre Augen glänzten sonderbar. »Du bist ein Kindskopf, Adeen, ein alberner Kindskopf. Dann werden wir wohl beide sterben.«
    Adeen konnte kaum fassen, was eben passiert war. Sein Körper schien ein Teil des wirbelnden Chaos geworden zu sein. Nur langsam begriff er, was ihre Worte bedeuteten: Sie war einverstanden! Hastig entrollte er den Zauber, so gut er es mit einer Hand konnte.
    Mit schrecklichem Krachen schlug etwas direkt neben ihm in die Wand des Turms ein. Adeen verlor den Halt, rollte über den Boden und schlug hart auf der Seite auf. Feine Kristallsplitter tanzten durch den Raum wie Schneegestöber – oder waren es Funken? Um ihn schwankten Schatten, das Licht brach sich funkelnd in den Überresten des Kristalls und erzeugte betäubende Farbspiele vor seinen Augen. Der Schreck durchfuhr ihn, als ihm bewusst wurde, dass er die Schriftrolle nicht mehr in der Hand hielt. Wo war sie? Und wo war Talanna?
    Dann sah er die Schriftrolle, keine zwei Armlängen entfernt. Sie lag auf einem der Kanäle, der Magie ins Zentrum des Raumes leitete, und grüne Flammen leckten nach ihr. Auf Händen und Knien kroch er darauf zu. Er musste nur –
    Ein weiterer Aufprall, diesmal heftiger als alle anderen zuvor. Adeen wurde durch die Luft geschleudert. Etwas leuchtend Grünes bewegte sich auf ihn zu, füllte seine Augen, seinen Kopf mit unerträglicher Helligkeit. Der magische Speicher, die Stele, die er vorhin beinahe berührt hätte, hatte die Verwüstung bislang überstanden, aber nun stürzte sie um und traf ihn mit aller Gewalt.
    Es war, als würde ihn ein Blitz treffen, als würde sich eine Flamme in seinen Körper fressen. Er konnte sich nicht bewegen, nicht atmen. Grün war überall, beißende Farben und sanfte Töne wie ein Wispern von Blättern, gelbliche Adern und bläuliche Strudel. Ein Teil von ihm, der ihm fremd war, wusste, dass seine Augen solche Farben nicht einmal wahrnehmen konnten. Sie erfüllten ihn, überwältigten ihn … löschten ihn aus.
    Um ihn waren Luft, Kälte, Sterne, die wie Staubkörner tanzten. Wolken, über die Farbschauer zuckten.
    Dann fiel er.
    Das Krachen des nächsten Einschlags, der den Turm in Stücke sprengte, hörte er nur noch aus der Ferne.

10
    Fliegen
    D er Sturm riss an ihm, Bruchstücke von Steinen wirbelten durch die Luft, Splitter streiften seine Federn. Wie war er in dieses Chaos hineingeraten? Er erinnerte sich nicht. Flatternd versuchte er, an Höhe zu gewinnen, um der Gefahr auszuweichen, doch einer seiner Flügel war steif und gehorchte ihm nicht, und die Bewegung brachte ihn ins Taumeln. Eine Windbö erfasste ihn, trieb ihn vor sich her. Beinahe wäre er gegen einen Felsbrocken geprallt. Im letzten Moment gewann er die Gewalt über seinen Körper zurück und schwang sich mit mehreren schwerfälligen Flügelschlägen empor. Endlich fand er eine ruhigere Luftströmung, die ihn mit sanfter Hand trug. Er glitt dahin und sah verständnislos zu, wie ein glühendes Stück der Nacht unter ihm auf den Boden

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