Flügel aus Asche
getan?«
»Du hast noch ganz anderes getan, wie es aussieht.« Keyla klang gleichermaßen überrascht wie ungehalten. »Nun los, steh auf. Ich weiß, du fühlst dich schwach, aber das geht vorbei. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Vielleicht kehren die Rashijaner schon bald mit Verstärkung zurück.« Sie streckte ihm die Hand entgegen, und wenn Adeen auch sonst nichts verstand – dies war ein Friedensangebot, das spürte er, und es anzunehmen, war vermutlich klug. Er ließ die Lanze fallen und ergriff Keylas Hand, um sich aufhelfen zu lassen.
»Ich fürchte, ich muss dir danken«, sagte sie. »Alles andere verschieben wir auf später. Yoluan, hilf ihm. Talanna, du sorgst dafür, dass er mit dieser Kraft niemanden von uns verletzt.« Ohne ein weiteres Wort verschwand sie wieder zwischen ihren Leuten.
Yoluan stand bereits an Adeens Seite und stützte ihn. Er hatte einige Kratzer im Gesicht und an den Armen, wirkte ansonsten aber unverletzt. Und da war auch Talanna, noch immer blass, aber nicht mehr mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sie trug einen Arm in einer behelfsmäßigen Schlinge. Wann hatte jemand ihre Verletzung versorgt? Aufmerksam musterte sie Adeen. Er glaubte in ihren Augen Beunruhigung zu erkennen, vielleicht sogar Schrecken, aber als er ihrem Blick begegnete, lächelte sie leicht. »Ganz langsam«, sagte sie, und Yoluan fügte hinzu: »Was fällt dir bloß ein?«
Ohne Yoluans Hilfe wäre Adeen sofort wieder zusammengesackt. Sein Körper fühlte sich an, als hätte er sich tagelang ohne Unterbrechung, und ohne etwas zu essen, auf den Feldern beim Rakashabbau verausgabt. Dazu kam es ihm
falsch
vor, auf dem Boden zu stehen, wo alles voller Schwere war, kalt und plump. Er blickte sich um: Wie ein Sturm war der Kampf durch die Schlucht gefahren, hatte das Laub zerwühlt und die Sträucher zerknickt. Blut befleckte die Blätter, überall lag verstreute Ausrüstung. Auch die gekrümmten Körper von Toten sah er, darunter mehrere Magier in roten Umhängen. »Was … was ist passiert?«
Er hatte die Frage an Talanna gerichtet, doch sie schüttelte den Kopf. »Ich konnte es aus der Deckung heraus nicht genau erkennen. Yoluan …«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte der große Mann mit hörbarem Unbehagen. »Da war auf einmal ein Schatten, wie der eines großen Vogels, und dann kam ein Sturm. Ein paar Bogenschützen wurden glatt von den Felsen geworfen. Alle bekamen Angst, auch die Gegner. Sie sind auf und davon. Aber«, fügte er entschieden hinzu, »wir hätten auch so gewonnen. Keylas Leute kämpfen gut, findest du nicht?«
»Vom Kämpfen verstehe ich nichts.« Widerwillig glitt Adeens Blick erneut über die Leichen. Nur wenige Schritte entfernt lag der blutige, verdrehte Körper eines jungen Mannes, den Bogen halb unter sich begraben, die Pfeile aus seinem Köcher ringsum verstreut. Offenbar hatte er sich bei dem Sturz aus der Höhe zu schwer verletzt, um sich noch dagegen zu wehren, dass ihn jemand mit der Klinge niederstach. Sein helles, sommersprossiges Gesicht war voller Entsetzen. Adeen begann zu zittern. »Keyla meint … ich habe das getan? Aber wie … ist das möglich?«
»Du hast offenbar eine Art von Magie gewirkt«, sagte Talanna, »die … an deren Existenz ich bisher nicht einmal geglaubt habe. Es ist kein Wunder, dass du diese Kräfte nicht unter Kontrolle hast.«
»Ich wollte das nicht.« Vor Abscheu hätte sich Adeen am liebsten übergeben. »Ich wollte niemanden töten.«
Talannas Hand legte sich auf seinen Arm. Die tröstliche Geste kostete ihn den Rest seiner Selbstbeherrschung, und er fühlte sich den Tränen nahe.
»Komm«, sagte sie, »es wird dir bessergehen, wenn du etwas gegessen hast.«
Der Kampf zwang sie, eine Pause einzulegen und sich um die Verwundeten zu kümmern. Schließlich war es tiefe Nacht, als sie die Toten zurückließen und weiterzogen. Keyla hatte angeordnet, nicht erneut zu rasten, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Wegen des Überfalls schien sie in großer Sorge, und ihre Unruhe hatte die gesamte Gruppe erfasst: Woher hatten Rashijas Truppen gewusst, an welcher Stelle sie ihnen auflauern mussten? War der weitere Weg sicher? Diese geflüsterten Gespräche wanderten durch den ganzen Zug. Manch einer schien wenig begeistert von Keylas Entscheidung, den ursprünglichen Plan beizubehalten und Zuflucht im Steinbruch zu suchen.
Nach langem Marsch verbarg sich der Trupp in einer Senke, und Keyla schickte einen Boten – fast noch ein Kind –, der den Fürsten von
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