Fluegel der Dunkelheit
verändern.
Diesmal war Liana darauf vorbereitet, sodass Alina ihr schon vertraut
vorkam. Alina lächelte, ohne ein Wort zu sagen. Dieses zufriedene
Lächeln blieb zurück, bis Liana bemerkte, dass es ihr eigenes
Gesicht war. Mit dem Zeigefinger berührte sie die Salbe auf ihren
Wunden. Wer hatte sie damit versorgt? Es konnte nur Victor gewesen
sein, er hatte Traian gefunden und gab ihr nun Gelegenheit, sich zu
verabschieden. Eigenartig schien ihr dabei die Kommode vor der
Eingangstür. Demnach müsste Victor noch hier in der Wohnung sein,
nur wo? Ihre zwei Zimmer blieben doch sehr übersichtlich. Befand sie
sich doch in einem Traum? Liana bemühte sich, ihre Überlegungen zur
Seite zu schieben. Es gelang ihr natürlich nicht. Zu sehr
beschäftigte sie, was hinter ihr lag und ob Traian wahrhaftig in
ihrem Wohnzimmer lag. Liana hörte plötzlich die durchdringende hohe
Stimme von Hong in ihren Erinnerungen. Wenn er Traian nicht aus dem
Krankenhaus entführt hatte, wer dann? Ihr fielen die Blutspuren vor
dem Schrank ein, denen Victor so hoffnungsvoll nachgegangen war.
Konnte Traian
tatsächlich geflüchtet sein? In diesem Fall musste sie ihn vor
Victor in Sicherheit bringen. Nein! Blödsinn! Ihr medizinisches
Wissen weigerte sich, eine solch absurde Möglichkeit in Betracht zu
ziehen. Liana verließ das Badezimmer. Das Telefon klingelte in
diesem Moment, zwei Mal, bis der Anrufbeantworter sich anschaltete.
Liana warf einen Blick zur Uhr 19:37 Uhr, dann sah sie zu Traian, der
noch immer auf der Couch lag.
»Ich bin es noch
mal, Sergiu. Victor und ich machen uns langsam Sorgen. Bitte melde
dich.«
Liana setzte sich
auf den Sessel, schloss dabei die Augen. Eigentlich sah hier alles
danach aus, als habe Traian sie nach Hause gebracht, die Kommode vor
die Tür geschoben, damit Hong hier nicht wieder ungebeten eindringen
konnte. Mit diesen Hirnschäden kam Traian undenkbar allein zurecht.
Wer aber hatte sie dann befreit?
»Wie fühlst du
dich?« Liana zuckte zusammen. Diese Stimme war ihr fremd. Als sie
aufsah, saß Traian auf dem Sofa. Er rieb sich die Augen, als sei er
noch müde. Seine fehlenden Haare schmälerten in keiner Weise seine
Attraktivität, im Gegenteil, jetzt sah man endlich sein ganzes
faszinierendes Gesicht.
Vielleicht handelte
es sich um eine Erscheinung, so wie bei Alina. Traian war tot und sie
sah nur seinen Geist. Das war die einzige Erklärung, die sie für
denkbar hielt.
»Warum bist du
hier?« Liana flüsterte. Würde die Erscheinung antworten?
»Ich hatte dir
versprochen zu kommen. Schon vergessen?« Er sah zur Seite, wirkte
nachdenklich. »Erzählst du mir jetzt von deinen Visionen?«
Diese Situation
fühlte einfach zu gut an, um wahr zu sein. »Und deshalb bist du
gekommen? Um mich das zu fragen?«
Sein
Gesichtsausdruck war plötzlich sehr ernst. »Nein.«
»Nein? Warum dann?«
Das war zu verrückt. Sie unterhielt sich mit Geistern.
»Du hast mich von
den Kopfschmerzen befreit und dafür möchte ich dir danken.«
Ja klar. Geister,
die sich bedanken. Großartig! Liana schüttelte den Kopf. Sie stand
auf, wandte sich zum Fenster um. »Dr. Majewski dreht gerade durch.
Ich rede mit dir, als wäre es das Normalste auf der Welt. Vermutlich
hat Hong mir Halluzinogene verabreicht. Scheiße!« Sie legte die
Hände über ihr Gesicht.
Plötzlich spürte
sie Traians Arme um ihren Körper. Sie hielt die Luft an.
»Du bist in
Sicherheit, Liana. Ich habe mich selbst geheilt, das gelang mir
jedoch nur mit deiner Hilfe. Ab jetzt werde ich auf dich aufpassen.«
Mehrfach schluckte
Liana den lästigen Kloß im Hals herunter, dabei fuhr sie herum.
Traian war kein Geist. Er berührte sie, sah sie sogar an. »Das ist
unmöglich!« Sie konnte nur flüstern. »Dich heilen? Das geht doch
gar nicht.« Es war aber die einzige Erklärung. Sie musste sich von
der Echtheit ihrer optischen Wahrnehmung überzeugen, legte dazu ihre
Hände auf seine Wangen. Sie spürte unter ihren Fingern ein
lebendiges Gesicht, eine makellose Haut, seine Bartstoppeln. Auch
seine Augen waren voller Leben. Sein Blick schien ihr klar, von
Sehschwäche oder restlichen Hirnschäden keine Spur.
Das war schier
unmöglich! Doch sie hielt den Beweis in ihren Händen, sah ihn sogar
vor sich. Minutenlang schaute sie ihn an, diesen traumhaften Mann.
Traian stand leibhaftig vor ihr. »Nach meinen medizinischen
Kenntnissen dürftest du nicht vor mir stehen. Du dürftest weder
sehen noch sprechen können, wie ... wie kann das sein?
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