Fluegel der Dunkelheit
jedem
Moment reißender wurde. Vier grün gekleidete Quacksalber drängten
sich um seinen Rumpf. »Ich brauche ein großes Stück dieser
faszinierenden Milz!«
»Hong! Du solltest
schon abwarten, bis ich die Bauchdecke aufgetrennt habe.« Hartung
warf einen kurzen Blick in Traians Gesicht.
Traian schüttelte
sich, um die nagenden Erlebnisse los zu werden. Diese widerlichen
Tücher mussten aus seinem Blickfeld verschwinden, sonst würde er
vor zahlreichen Erinnerungen noch mal Jahre seines Lebens
verschwenden.
Traian presste den
Hals des Rehs auf den Waldboden. Heftig zappelten die Hufe des
Tieres. Das Kind begann gierig das Blut aufzulecken, das Traian durch
seinen kraftvollen Biss in die Ader zum Fließen gebracht hatte. Der
Kleine besaß noch keine Reißzähne, mit denen er das lebende
Fleisch durchdringen konnte. Aber vielleicht bekam er auch gar keine.
Traian fehlten die Kenntnisse über Kleinkinder, menschlicher oder
vampirischer Herkunft. Heute früh hatte er sich mit dem Kleinen auf
einen Heuboden einer Scheune zum Schlafen zurückgezogen. Eng hatte
sich der Kleine an ihn herangekuschelt und Traian hatte es sogar als
angenehm empfunden.
Jetzt, da die Sonne
untergegangen war, stillte Traian seinen Hunger. Seit der Operation
durch Liana verspürte er wieder Appetit. Der Kleine schleckte mit
einem solchen Genuss das Blut auf, dass Traian keine Zweifel mehr
hegte: Er war ein Halbvampir und gewiss der kleine Veit, von dem
Liana behauptete, er sei in jenem Keller entstanden. Die Zuneigung,
die Traian für Veit empfand, sprach dafür, dass dieses Kind
tatsächlich sein Sohn war.
Ihm fiel die
Krankenschwester ein, die ihn seinerzeit verführt hatte. Während er
nackt auf einem OP-Tisch mit Metallbändern gefesselt war, hatte
Hartung ihm ein zweites Mal an diesem Tag seine Milz abgesaugt. Jedes
Mal hatte er diese Prozedur als besonders schmerzhaft wahrgenommen,
vor allem aber die folgende körperliche Qual des Blutverlustes.
Traian hatte es nicht für möglich gehalten, unter diesen Umständen
sich von der Krankenschwester betören zu lassen. Obwohl er sich
beherrschen wollte, hatte er sich diesen reizvollen Gefühlen
hingegeben. In seinem sonst so leidvollen Dasein bedeutete dieser
Moment ein Hauch von Zärtlichkeit.
Traian sah zu Veit,
wie er noch immer das Blut leckte. Er dachte dabei an gestern, an den
Wahnsinnsritt über die Straße. Auch heute wollte er etwas
anstellen, um diese fantastische Empfindung erneut hervorzurufen.
Diese Lebendigkeit musste er ein weiteres Mal spüren. Veit schaute
auf und lachte Traian mit seinem blutverschmierten Mund an.
»Meckt guut!«
Traian lächelte
zurück. »Trink dich satt, wir müssen nachher noch einen
Unterschlupf für den Tag suchen.« Es war ein gutes Gefühl, für
Veit sorgen zu können. Erst als er sich zufrieden von der Bisswunde
abwendete, gab Traian den Druck auf den Hals des Tieres auf, entließ
das Reh in seine Freiheit. Mit Moos vom Waldboden wischte er Veit das
Blut vom Mund.
Es wurde Zeit
weiterzugehen. Veit stapfte ihm mit seinen kurzen Beinchen hinterher.
Traian überlegte, ob er mit Veit nach Berlin zu Liana fahren oder
vielleicht noch eine Nacht hier verbringen sollte. Die Sehnsucht nach
Liana war jedoch größer, als das Bedürfnis nach Freiheit.
»Taian!« Das
entfernte Stimmchen erinnerte ihn daran, dass er nicht allein war und
ab jetzt Rücksicht nehmen musste. Er blieb stehen und wartete, bis
Veit ihn eingeholte. Er streckte Traian seine Ärmchen entgegen,
worauf er Veit auf den Arm nahm. Geborgen schmiegte er seinen
Köpfchen an Traians Schulter. Ein wunderbares Gefühl. Mit jedem
Augenblick genoss Traian diese Empfindung.
Nach einem guten
Stück Weg zuckte Traian zusammen. Er spürte einen Vampir in der
Nähe. Auch Menschen nahm Traian wahr. Sein Herzschlag verdoppelte
sich innerhalb von wenigen Atemzügen. Jetzt brauchte er einen kühlen
Kopf. Mit den Menschen sollte er schon fertig werden, aber diese
Zusammenstellung jagte ihm Angst ein. Der Vampir kam näher.
Traian wich einige
Schritte zurück. Allein wäre er viel schneller und wendiger.
Allerdings erwachte das Bedürfnis seinen kleinen Sohn zu beschützen,
wer auch immer sich ihm näherte.
Drag unchi
E s war nicht
Razvan. Auch nicht Manuel aus Popescu. Gegenwärtig drängten sich
eigenartige Empfindungen an die Oberfläche, die sehr weit in seinen
Erinnerungen zurücklagen. Gefühlsbewegungen, vor denen er sich
fürchtete, mit denen er Schmerzen verband, kamen zum
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