Fluegel der Dunkelheit
restlichen Beschreibungen reichen aus, um das
gesamte Team hinter Gitter zu bringen.«
»Und was hindert
Sie dann daran, Ihre Pflicht zu erfüllen?«
Sergiu sah
erschrocken auf. Er hatte sich selbst in diese Sackgasse gelenkt. Das
Herz pochte ihm bis zum Hals. Seine Menschenkenntnis hatte ihn bisher
noch nie getäuscht, Dr. Majewski würde ihm eine Lüge krummnehmen,
aber die Wahrheit nahm sie ihm mindestens genauso übel. Mit einem
tiefen Atemzug begann er, »Wissen Sie, diese Familie waren … sie
…« Er musste sich da rausreden.
Liana saß gespannt
auf der Couch. »Ja?«
Umschreiben hieß
die Lösung. »Es gibt eben Dinge, die sollte man nicht an die
Öffentlichkeit bringen.« Das entsprach schließlich der Realität.
»Wie bitte?« Liana
klang überrascht. Mit dieser Antwort hatte sie wohl nicht gerechnet.
Sergius Mund fühlte
sich schon wieder sehr trocken an, er trank ein Schluck Wein.
Sie streckte ihre
Hand nach den Pässen aus. »Darf ich?«
Sergiu nickte. Er
sah keinen Grund, warum sich die junge Ärztin die Fotos, die Namen,
nicht ansehen durfte. Beim zweiten Pass zuckte sie sichtlich
zusammen. Dann war sie Luca bereits begegnet.
»Sie haben ihn
schon mal gesehen?« Dr. Majewski hatte Kontakt zu ihm, deshalb war
sie hier.
»Nein.
Ja.« Ihre Hände begannen auffallend zu zittern. Sie befeuchtete
ihre Lippen. »Nicht ihn. Sie! Einmal in einem Einkaufszentrum und
dann in einer Fernsehsendung.«
Sergiu sprang auf.
»Alina? Sie haben Alina gesehen? Dann hat Victor also recht.« Er
setzte sich wieder. Die Frau war ein Geschenk des Himmels. »Sie
haben außergewöhnliche Fähigkeiten. Hat sie was zu Ihnen gesagt?«
Sie legte die Pässe
auf den Tisch. »Victor hatte recht? Wie meinen Sie das?«
Er musste geschickt
vorgehen. »Ich kann verstehen, wenn das eigenartig klingt, aber Sie
haben eine ganz besondere Gabe.« Diese Worte hätte er besser
verpacken sollen. Das kaufte sie ihm nicht ab.
»Das ist ja
völliger Blödsinn.« Liana schüttelte den Kopf und bekam hektische
Flecken auf ihren Wangen.
Sie blockierte, er
hatte es vermasselt. Jetzt halfen nur noch Beweise. »Und wie
erklären Sie sich, dass Sie eine Frau gesehen haben, die seit
mindestens vier Jahren tot ist?« Er musste versuchen, das Gespräch
in eine andere Richtung zu lenken. Wenn Alina Kontakt zu der jungen
Frau aufgenommen hatte, gab es eine wichtige Botschaft.
»Bestimmt hat sie
etwas gesagt. Bitte helfen Sie uns. Nicolae und Alina hatten einen
Sohn, der diesem Wahnsinn entkommen konnte. Irgendwo da draußen
läuft Luca herum und ich habe seinem Onkel versprochen, ihn zu
finden.« Sergiu fürchtete, sie würde jeden Moment aufspringen und
das Gespräch abbrechen.
»Entkommen?« Sie
rieb sich das Gesicht, schien dabei nachzudenken. Plötzlich sprang
sie auf. »Ich muss jetzt gehen.«
Er hatte es kommen
sehen. »Bitte, Dr. Majewski. Bitte gehen Sie nicht. Sie können uns
helfen. Bitte, bleiben Sie.« Es war zu spät. Sergiu sah seine
Chance dahin schwinden. Kopfschüttelnd stürzte die junge Ärztin
aus der Wohnung.
Überlegungen
O hne Ziel
lief Liana durch die Straßen, durch Parkanlagen Potsdams. Dieser
Anwalt war ihr anfangs so sympathisch gewesen. Wie konnte er
behaupten, Alina sei tot? Er musste sich irren, schließlich hatte
sie die Frau gesehen, und zwar ziemlich lebendig. Sie bemühte sich,
etwas Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen. Auf der Liste, die sie
bei Sergiu zu Gesicht bekommen hatte, standen einige Personen, die
ihr nicht unbekannt waren, Bettina, der Laborassistent Mario
Lehmburger sowie der gute Dr. Klingberger. Wenn dieser Arzt wirklich
Versuche an Menschen durchgeführt hatte, was Liana ihm durchaus
zutraute, erklärte dies natürlich auch, warum Bettina nicht zur
Polizei ging. Als Mittäterin hatte sie sich genauso schuldig gemacht
wie Klingberger. Doch auch der Rechtsanwalt unternahm diesbezüglich
nichts. Dies war sehr merkwürdig. Liana fand dafür keine Erklärung.
Ein Verbrechen konnte doch nicht totgeschwiegen werden, nur weil
diese Angelegenheit nicht an die Öffentlichkeit sollte. Liana fiel
die Reaktion des Anwalts ein, als er sich nach Veits Alter
erkundigte. Er war ganz bleich geworden, redete sich mit dem Unfall
heraus. Es war zu ersichtlich, dass es mit Veit zu tun hatte. Dieser
süße kleine Fratz schien der Schlüssel zu allem zu sein und ihn zu
beschützen, lag in ihrer Hand. Vielleicht war er der Sohn der beiden
Vermissten, hatte der Rechtsanwalt nicht Ähnliches gesagt? Vor
Lianas
Weitere Kostenlose Bücher