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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Cardinal
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durch. Sie standen gerade an einer Ampel, und so konnte er kurz die Augen schließen. Er musste vorsichtig sein, mit dem, was er dachte, und jeden Gedanken abwägen, bevor er ihn an die Oberfläche treten ließ. Wieso tat sie ihm das an? Wieso begriff sie nicht, wie krank ihr Verhalten war, wie ungerecht es ihm gegenüber war? Dass sie sich um jeden Preis töten wollte, ganz ohne vorher an eine andere Möglichkeit zu denken?
    »Ich habe so lange versucht, es loszuwerden«, flüsterte Nina und schreckte ihn hoch. »Ich habe so vieles versucht. Und dabei war ich mir unterbewusst von Anfang an sicher, dass das die einzige Möglichkeit ist. Punkt vier.«
    Valentin dachte wieder an die Strichliste, die bei ihr im Wohnzimmer gehangen hatte. Dann war Selbstmord tatsächlich der mysteriöse Punkt vier, den sie nicht ausgeschrieben hatte. »Du hast ein großes Problem«, begann er. »Du stellst dir das viel zu einfach vor. Du bringst dich um, ich rette dich, und alles ist wieder gut. Dann bist du wieder eingerenkt. So planst du das, aber so läuft das nicht. Das kann alles Folgeschäden haben, mal ganz davon abgesehen, dass nicht garantiert ist, dass mir die Wiederbelebung gelingt. Du kannst Gehirnschäden davontragen.«
    »Könnte es schlimmer sein als jetzt?«, fragte sie.
    Er sah in ihre Richtung. Ihr Blick war noch immer aus dem Fenster gerichtet. Er fragte sich, ob sie ihn, seit sie losgefahren waren, überhaupt einmal angesehen hatte. War sie so wütend auf ihn? »Es könnte sehr viel schlimmer sein«, sagte er.
    Sie blieb still.
    »Sieh mich an, Nina«, bat er sie. Gerade in diesem Moment sprang die Ampel auf Grün und er musste seinen Blick wieder nach vorne richten.
    »Was ist?«, fragte sie. Aus den Augenwinkeln sah er stumme Tränen über ihre Wangen rinnen.
    »Wir kriegen das wieder hin.« Er nickte langsam. »Wir beide kriegen das irgendwie wieder hin.«
    Ein müdes Lächeln erhellte ihr Gesicht. »Versprochen?«, fragte sie mit heiserer Stimme.
    Er nickte. »Versprochen.«

17
     
    Das Krankenhaus hatte Valentins Schulter mehr Beachtung geschenkt, als mir. Wir hatten fast acht Stunden im Krankenhaus gesessen, die meiste Zeit davon im Wartezimmer, oder waren von einem Raum in den nächsten gesprintet. Valentin hatte darauf bestanden, dass ich nirgendwo allein gelassen wurde und überall hin mitkam. Anscheinend fürchtete er um meine Gesundheit. Immerhin waren wir von literweise Narkotikum umgeben, spitzen Geräten und Tonnen von Tabletten jeder Art.
    Letzten Endes war ich im Warteraum eingenickt und wurde von Valentin geweckt – um fünf Uhr morgens. Er hatte den Ärzten gesagt, dass ich gerade durch den Wind war, und hatte ein Döschen Beruhigungstabletten für mich organisieren können.
    Jetzt saß ich am Steuer, denn er durfte drei Wochen lang kein Auto fahren. Seine Schulter war geprellt.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte er. »Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Ich seufzte. »Ich habe einen Führerschein, der Arzt hat versichert, dass mit mir alles in Ordnung ist, und auch sonst brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wie gesagt, ich werde nicht riskieren, meinen einzigen Retter zu töten.«
    Ich hörte ihn aufstöhnen.
    »Tut die Schulter so sehr weh?«, fragte ich.
    »Nein«, murmelte er. »Es nervt, dass du von deinem Selbstmord nicht loskommst.«
    »Ich gebe dir zwei Stunden, eine andere, suizidfreie Theorie aufzustellen, und dann reden wir noch einmal.«
    »Zwei Stunden?« Er klang entsetzt.
    »Was willst du groß machen? Durch die halbe Welt telefonieren? Die wird dir auch nicht mehr sagen können, als Alex.«
    »Du hältst wirklich an seiner Theorie fest.«
    »Was würdest du tun?«, fragte ich und fuhr das Auto an den Straßenrand, direkt vor meinem Haus. »Soll ich dich nach Hause fahren und dann zurück laufen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich lasse dich nicht alleine.«
    Ich verdrehte die Augen.
    »Steig aus. Ich bleibe bei dir. Und dann reden wir darüber, was wir mit Emilia machen.«
    Ich verdrehte wieder die Augen. »Das ist nicht nötig«, erwiderte ich. »Ich werde mich in der Zeit nicht umbringen. Und Emilia …«
    Er hörte mir gar nicht zu. Er hatte sich abgeschnallt, die Tür geöffnet und war ausgestiegen.
    »Na toll.« Ich seufzte, schaltete den Motor ab und stieg ebenfalls aus. »Willst du jetzt den Babysitter spielen?«, rief ich entnervt, als ich sah, wie er auf die Haustür zuging. Meine Nachbarin war gerade dabei, entsetzt das zersplitterte Schloss zu betrachten, neben

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