Fluegellos
durfte nicht stehen bleiben!
»Nina, bitte!«, brachte er hervor, als er gerade in ihren Hauseingang abbog. Sie antwortete ihm immer noch nicht. Am anderen Ende der Leitung war es vollkommen still. »Nina!«, rief er und prallte mit voller Wucht gegen die Haustür. Den heftigen Schmerz, der dabei durch seine Schulter zuckte, ignorierte er.
Die Tür war alt. Das marode Holz gab seinem Körper sofort nach.
Valentin fing seinen Sturz mit einem Ausweichschritt ab und rannte weiter. »Das kann doch nicht wahr sein«, hauchte er immer wieder. Er nahm drei Treppenstufen auf einmal und kam nach nur wenigen Sekunden im ersten Stock an.
» NINA! «, brüllte er und biss die Zähne zusammen, um sich auf den nächsten Zusammenstoß vorzubereiten.
Aber als er die Klinke drückte, sprang die Wohnungstür von selbst auf und knallte gegen die Regalwand im Flur.
Dann war alles still.
»Nina!«, rief er, bekam aber keine Antwort. Sofort sah er auf sein Handy und legte auf.
Das Tuten ertönte direkt vor ihm.
Im Badezimmer.
Oh Mist! , dachte er, noch bevor er losgerannt war.
Er sah ihr dunkles, braunes Haar an der Oberfläche treiben.
»Nina!«, brüllte Valentin wieder, griff in die Badewanne und umschloss ihren scheinbar leblosen Körper. Seine Schulter schrie auf vor Schmerz, als er sie hinaushob, aber er achtete nicht darauf. Sein Herz tat noch viel mehr weh.
»Oh Gott«, hauchte er und kniete sich auf den Boden. Nina lag bewegungslos in seinen Armen, und er wusste gar nicht, ob er nachsehen wollte, ob sie noch am Leben war.
Oh bitte, bitte, bitte , dachte er immer wieder und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
Ihre Augen waren geschlossen.
»Oh verdammt!« Valentin begann, zu zittern, und wollte Nina auf den Fliesen ablegen. Wiederbelebung. Herz-Lungen-Massage. Jetzt. Sofort. Er musste sie retten! Valentin legte seine Hand an ihren Hals und versuchte, ihren Puls zu spüren. Doch er spürte gar nichts durch sein Zittern hindurch. Rein gar nichts.
Und plötzlich bemerkte er, wie sich ihre Brust bewegte und hielt den Atem an.
Sie schluchzte.
Sie lebte!
»Nina!«, entfloh es ihm und augenblicklich suchten sich Tränen ihren Weg seine Wangen hinunter. Er war so erleichtert, dass auch er zu schluchzen begann und Nina, so fest er konnte, an sich drückte. Sie war am Leben! Verdammt, sie ist am LEBEN ! »Oh Gott, es tut mir leid«, flüsterte er und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Er spürte, wie sie zitterte. Sie zitterte am ganzen Leib und gab kränkelnde Laute von sich. »Es tut mir so leid!«, flüsterte er wieder. Wieso hatte er ihr gesagt, dass sie zu Alex gehen sollte? Wieso war er nicht selber auf die Idee gekommen, was er ihr möglicherweise erzählen würde?!
Wieso war er so naiv gewesen?!
Valentin wollte Nina gar nicht loslassen. Er wollte sie einfach hier in seinen Armen spüren, wie sie hektisch atmete, wie sie zitterte, wie sie lebte . Er drückte sie immer fester an sich und umschloss ihren kalten, zittrigen, lebendigen Körper.
Sie ist in Sicherheit , sagte er sich immer wieder. Sie ist in Sicherheit. Ich habe sie gerettet. Sie lebt. Es geht ihr gut.
»Valle?«, hörte er sie dann hauchen.
Er senkte den Blick und sah, dass sie ihn mit trüben Augen ansah.
»Du hättest noch warten müssen«, murmelte sie. »Ich war noch nicht tot. Du hättest mich …«
»Sei still«, unterbrach er sie und wandte den Blick von ihr ab. Die Tränen, die jetzt aus seinen Augen kullerten, waren keine Tränen der Erleichterung mehr. Jetzt war es Verzweiflung.
»Nein, du hättest …«
»Nina, sei einfach still«, zischte er, gröber als gedacht, und schloss die Augen. Jetzt begann auch er wieder, zu zittern. »Das hier ist doch Wahnsinn. Das … was hast du dir dabei gedacht? Dass ich warten werde, bis du tot bist, damit ich dich wieder beleben kann? Du bist so …« Seine Stimme wurde von neuen Tränen erstickt.
»Ich halte das nicht mehr aus«, hörte Valentin sie dann flüstern. Er wollte sie ansehen, aber er hatte Angst davor, was er in ihren Augen lesen würde. Bring mich um. Mehr wahrscheinlich nicht. Nur diese drei Worte. Wenn er sie ansah, würde sie ihn um den Tod anbetteln.
»Sei einfach still, Nina«, brachte er hervor. »Das kann nicht dein Ernst sein. Wirklich. Du kannst doch nicht einfach …« Valentin atmete durch und schüttelte den Kopf. »Als ich dir versprochen habe, dass es für alles eine Lösung gibt, habe ich nicht hiervon gesprochen.«
»Das ist die einzige Lösung«, hauchte
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