Fluegelschlag
Wie geschmolzene Lava breitete sich die Leidenschaft in ihr aus und erweckte Regionen in ihrem Körper, die sie viel zu lange ignoriert hatte. Dem Blick nach zu urteilen, den er ihr unter halb geschlossenen Lidern zuwarf, wusste Arian ganz genau, was er damit anrichtete. Ein Lächeln männlicher Selbstzufriedenheit umspielte seine Lippen, bevor er sie plötzlich auf den Rücken drehte und unter sich gefangen hielt. Quälend lange betrachtete er ihr Gesicht, als sähe er es zum ersten Mal.
Und in gewisser Weise war es auch so. Eine Frau, die es schaffte, einen Engel zu bezaubern, war es wert, dass er ihr seine gesamte Aufmerksamkeit schenkte. Als fürchtete er, sie würde sich in nichts auflösen, nahm er jedes Detail ihres Gesichts in sich auf: Die elegant geschwungenen Augenbrauen unter einer hohen Stirn, die leicht schräg gestellten Augen, die sich ebenso wie ihre Haare nicht für eine eindeutige Farbe entscheiden konnten. Die wie von zarter Hand modellierten Konturen ihres Gesichts. Ihre Lippen waren weich und voll und lockten wie reife Beerenfrüchte. Sie öffneten sich erwartungsvoll und enthüllten eine Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen, deren Anblick Arian stets aufs Neue entzückte. Dieser winzige Fehler ließ die scheinbare Vollkommenheit erst wirklich greifbar werden. Junas schneller werdender Atem verriet die Ungeduld, mit der sie darauf wartete, was er als Nächstes tun würde. Es gab noch so viel mehr zu entdecken, aber Arian begnügte sich vorerst mit dem Naheliegenden und küsste sie. Die Begehrlichkeit,
die sie in ihm entfachte, beunruhigte ihn, aber als sich ihre Lippen berührten, vergaß er alle Bedenken und gab sich ganz seiner Leidenschaft hin. Das beinahe brutale Verlangen, mit dem er ihren Mund eroberte, hätte Juna erschrecken müssen - stattdessen antwortete sie mit einem Hunger, der dem seinen in nichts nachstand. Ihre Fingernägel bohrten sich in seine Schultern und verursachten dort einen exquisiten Schmerz, der seinen Körper entflammte und das Urbedürfnis des Jägers in ihm weckte, sie zu besitzen, als sein zu markieren und nie wieder freizugeben.
Junas Blut rauschte in ihren Ohren, eine alles versengende Hitze breitete sich rasend schnell unter ihrer Haut aus. Das Adrenalin beschleunigte ihren Atem, bis sie beinahe hyperventilierte. Sie drehte den Kopf, um Luft zu holen, da sah sie es. Mit einem Schrei versuchte sie, ihn zurückzustoßen. »Arian, nein!«
Erschrocken folgte er ihrem Blick und begriff sekundenlang nicht, was er sah: Flammen, so hoch, dass sie beinahe die Decke berührten, umgaben das Bett. Er sprang auf, zog sie mit sich und hatte schon seine Schwingen geöffnet, um sie in Sicherheit zu bringen, da sank das Feuer in sich zusammen, bis eine letzte Flamme züngelte und schließlich ebenfalls verschwand. Rund um das Bett blieb ein schwarzer Ring zurück, und Arian zögerte nur kurz, bevor er sie beide auf die entgegengesetzte Seite des Raums transportierte. Für ihn gab es keinen Zweifel, dass er für den Ausbruch des Engelsfeuers verantwortlich war. Wie hatte er auch glauben können, sie ungestraft lieben zu dürfen?
Das Entsetzen in Junas Augen bestätigte ihn nur. Schnell
ließ er sie los, brachte ausreichend Abstand zwischen sie beide, und als sie den Mund öffnete, um Fragen zu stellen, ließ er sie nicht zu Wort kommen. »Ich begleite dich zur Praxis.«
Juna wandte ihm den Rücken zu und sah aus dem Fenster über die erwachende Stadt hinweg, bis zum Horizont, wo die Highlands begannen. Natürlich war sie über seine Worte erleichtert. Hätte er geahnt, wer für den Ausbruch der Flammen verantwortlich war, hätte er bestimmt unangenehme Fragen gestellt. Vielleicht glaubte er, Gabriel habe sich einen Spaß mit ihnen erlaubt. Hatte er sie nicht auch gestern heimlich beobachtet? Ihm traute Juna jede Bosheit zu, und vielleicht ging es Arian inzwischen ebenso.
Eine zarte Blüte Hoffnung wurzelte in ihrem Herzen, doch Juna weigerte sich, sie weiter zu nähren. Arians Küsse mussten ihr den Verstand geraubt haben, dass sie sich mit ihm eingelassen hatte. Sie, eine Ausgeburt der Hölle, und er, ein Engel. Welch ein Wahnsinn! Diese deutliche Warnung war gerade noch rechtzeitig gekommen.
Im Grunde konnte sie froh darüber sein. Ihr Herz jedoch weigerte sich beharrlich, Freude zu empfinden. Juna versuchte, ihre Enttäuschung mit einem Schulterzucken abzutun. Immerhin wollte Arian sie nach Hause bringen. Dafür sollte sie ihm vermutlich dankbar
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