Flüsterherz
Falsches gesagt?
»Was ist?«, wisperte ich.
»Das weißt du genau!«
Ich wusste gar nichts. »Komm, sag schon.«
»Denk mal scharf nach. Das kannst du doch so gut.«
Sie wandte den Blick zum Fenster.
Was meinte sie bloß? Ich stieß sie ein paarmal an, aber sie reagierte nicht.
Erst nach einer ganzen Weile flüsterte sie: »Mann, du bist echt schwer von Begriff. Tarik ist in dich verknallt!« Wieder drehte sie sich weg.
Das war’s also. Tarik sollte in mich verknallt sein? Wie kam sie bloß auf diesen absurden Gedanken?
»Hör mal, Tibs«, flüsterte ich, »ich bin aber doch wirklich die Schönste im ganzen Land. Mein Haar ist schwarz wie Ebenholz, die Lippen rot wie Blut, die Haut weiß wie Schnee. Dagegen kommt einfach niemand an.«
Ich redete ganz leise, damit Fred mich nicht hörte, und übertrieb so lange, bis Tibby lachen musste und mitmachte.
»Schau dir nur meine hundert Rastalocken an, das edle Profil, die bronzefarbene Haut, diese funkelnden dunklen Augen, die exotische Ausstrahlung. Und in meinem Innern lodert ein Feuer wie …« Wir kicherten.
Fred sah her, sagte zum Glück aber nichts.
»Lass dich von Tarik nicht verrückt machen«, sagte ich. »Für den ist das ein Spiel, er flirtet eben gern.«
»Mann, hast du ’ne lange Leitung!«, zischte sie.
»Was soll das heißen?«
Sie zuckte nur mit den Schultern und ignorierte mich für den Rest des Tages.
In der nächsten Lateinstunde saß ich wieder, wie sonst, neben Eileen. Sie hatte wenigstens ihre eigenen Bücher und dazu eine unverwüstlich gute Laune. Außerdem hatte sie Lipgloss mit Fruchtgeschmack dabei. Sämtliche lateinischen Vokabeln schmeckten an diesem Morgen nach leuchtend roten, sommerfrischen Erdbeeren. Wir tuschelten über Tibby und Tarik und ob sich da wohl was ergeben würde oder nicht. Eileen meinte »nein«, weil Tarik flatterhaft sei, und ich meinte »ja«, weil Tibby so begeistert von ihm wäre und er bestimmt auch von ihr.
Tibby saß allein. Sie wurde über Substantive der a-Deklination abgefragt, kriegte aber nichts gebacken.
»Hast du den Stoff nicht gelernt?«, fragte Fred.
»Mein Buch ist noch nicht da«, sagte Tibby, wieder so komisch verschämt, und kaute an ihren Nägeln.
»Komm mir nicht mit faulen Ausreden«, sagte Fred. »Das stand alles auf dem Arbeitsblatt, das ich gestern verteilt habe. Auch an dich.«
Tibby wurde unter ihrer braunen Haut rot. Sie schwieg.
Ich bekam Mitleid, denn ich dachte an die wüsten Papierhaufen bei ihr zu Hause, auf der Waschmaschine, auf dem Schreibtisch in ihrem Zimmer und auch sonstwo im Haus. Kein Wunder, dass sie ihren Kram nicht fand …
»Willst du dir mein Arbeitsblatt kopieren?«, fragte ich in der Pause.
»Nein danke.« Es klang barsch.
»Ich meine ja nur, weil Fred …«
»Ich hatte keine Zeit zum Lernen, das ist alles«, unterbrach sie mich.
»Warum nicht?«
»Weil ich wohin musste.«
Ich glaubte ihr kein Wort.
»Wo musstest du denn hin?«, fragte ich.
»Hallo! Wird das jetzt ein Verhör, oder was?«
»Ich frag nur, weil ich mir Sorgen um dich mache. Du lässt einfach alles schleifen. Warum? Auf die Dauer kriegst du damit nur Ärger.«
»Wär nichts Neues.«
Unwillkürlich fragte ich mich, was wohl der Grund für ihren Schulwechsel gewesen war.
2
»Hast du heute noch was vor?«, fragte Tibby nach dem Unterricht.
Ich war froh, dass sie sich wieder eingekriegt hatte, war aber schon mit Eileen verabredet.
Jeske und Lianne hatten demnächst Geburtstag und wir wollten uns nach Geschenken für die beiden umsehen. Und vielleicht noch ins Eiscafé.
»Ach so«, sagte Tibby. »Na denn …« Sie rührte sich nicht von der Stelle.
»Warum fragst du? Wolltest du gern was mit mir unternehmen?«
»Ist nicht wichtig. Du hast ja schon was vor.« Dabei guckte sie so maßlos enttäuscht, dass mir ganz komisch wurde, so als hätte ich etwas verbrochen.
Eileen tauchte neben mir auf. »Lianne hat mir gesagt, sie wünscht sich eine von diesen großen gepunkteten Kaffeetassen«, erzählte sie. »Und Jeske schenken wir ein Poster, wenn du einverstanden bist. Bei
Art Expo
haben sie ’ne super Auswahl.«
»Gute Idee«, sagte ich. »Willst du dich auch beteiligen, Tibs?«
»
Art Expo
ist doch dieser teure Edelladen. Und ich kenn die beiden kaum«, murmelte Tibby.
»Dann komm einfach so mit«, schlug Eileen vor.
»Keine Zeit. Ich muss Englisch lernen. Und mir vorher noch ein Buch von jemand leihen.« Sie warf Eileen einen hoffnungsvollen Blick zu, aber die kapierte
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