Flüsterherz
Auto.«
Ich lachte.
»Soll ich dich jetzt schminken?«, fragte ich.
»Ja, aber nimm nicht zu viel Wimperntusche. Sonst erkennt Tarik mich nicht mehr«, witzelte sie.
»Okay, also lieber mehr Eyeliner, das wirkt verführerisch.«
Als wir fertig waren, stießen wir mit Cola an.
»Trinken wir auf die Liebe!«, rief Tibby.
»Auf die Liebe«, sagte ich.
Unten hatte Sharima es sich mit Kartoffelchips und einem Glas Wein vor dem Fernseher gemütlich gemacht.
»Geht ihr jetzt?«
»Ja. Bis später«, sagte Tibby.
Wir wollten an ihr vorbei, aber sie hielt Tibby am Arm fest. »Zeigt euch doch mal, ihr beiden.«
Ich drehte mich kokett im Kreis.
»Anna, du bist das schönste Mädchen der Stadt!«, rief Sharima begeistert.
Ich freute mich über das tolle Kompliment. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Tibby die Stirn runzelte.
»Wirklich super, bloß die Strumpfhose passt nicht. Zu dem Outfit brauchst du was Fetzigeres.«
Ich hatte eine schwarze Feinstrumpfhose von Ma gemopst und die war zugegebenermaßen alles andere als fetzig.
Sharima griff in eine Plastiktüte neben dem Sofa.
»Wie wär’s damit?« Sie hielt mir eine originalverpackte schwarze Spitzenstrumpfhose hin.
»Die sieht klasse aus, vielen Dank. Ich zieh sie gleich an.«
»Und jetzt zu dir, mein Herz.« Sharima stand auf und begann, an Tibbys Tuch herumzuzupfen. »So geht das nicht, das musst du ganz anders machen.« Kurzerhand drapierte sie das Tuch um Tibbys Haar neu. Dann fischte sie ein orangefarbenes Armband aus der Plastiktüte. »Und hier noch ein kleiner Farbtupfer.«
»Ma, ich mag kein Orange!« Tibby wollte es nicht nehmen, aber Sharima bestand darauf.
»Nun mach’s schon um, das ergibt so einen hübschen Kontrast.«
Tibby steckte das Armband in ihre Tasche. »Na gut, aber jetzt müssen wir echt los. Danke. Und tschüss.«
»Tschü-hüss. Habt eine schöne Zeit!«, trällerte Sharima. »Und komm nicht zu spät nach Hause, Tiberia. Um eins ist Schluss.«
»Ja, Mama, nein, Mama«, sagt Tibby.
»Ja, Mama, nein, Mama«, echote Sharima vergnügt. »Keine Tricks, meine Liebe, ja? Ich kenn sie alle. Ich war früher genauso. Viel Spaß!« Summend ging sie wieder zum Sofa. Das rote Tuch im Haar flatterte wie eine Fahne hinter ihr her.
»Nichts wie weg! Wenn sie noch mal von vorn anfängt, platz ich!«, flüsterte Tibby im Flur. »Dann passt ihr mein Rock nicht oder ich hab die falschen Schuhe an oder mein Make-up ist daneben. Meiner Mutter kann ich wirklich nie was recht machen.«
»Sie meint’s doch nur gut. Und die Strumpfhose ist echt super. Guck mal!«
Aber dafür hatte Tibby jetzt keinen Blick. »Ja, wahnsinnig super. Beeil dich!«
Ich zog die Spitzenstrumpfhose an, während Tibby nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
»Mach hin!«, zischte sie mir zu. »Sonst kommt sie noch mal und quatscht uns voll. Von Oma und ihrer Tante und was weiß ich. Am Ende muss ich noch ganz in Orange gehen! Und die blöde Kuh glaubt auch noch, dass …«
»Na, wie steht sie mir?«, unterbrach ich sie.
»Sexy, aber jetzt komm endlich«, drängte Tibby und zog mich zur Haustür.
Draußen warf sie mit Schwung das orangefarbene Armband ins Gebüsch.
Ziemlich fies, fand ich. Sharima konnte zwar ganz schön aufdringlich sein, aber es war ja lieb gemeint.
»Hast du deiner Ma eigentlich noch nie gesagt, dass du das Gefühl hast, sie hört dir überhaupt nicht zu?«, fragte ich.
»Wie denn?«
»Na, so zum Beispiel: Ma, weißt du eigentlich, dass Blau meine Lieblingsfarbe ist? Bring mir doch mal was Blaues aus deinem Laden mit.«
»Tsss, und du glaubst, das ändert was?!«
»Vielleicht nicht, aber versuchen kannst du es ja.«
Ich wollte noch etwas sagen, aber Tibby stieg auf ihr Rad und sauste los, so schnell, dass ich kaum hinterherkam.
9
Vorm
Sisters
standen nur wenige Leute an. Mich ließ der Türsteher anstandslos durch, von Tibby dagegen forderte er den Ausweis.
»Warum das?«, fragte sie. »Seh ich etwa aus wie unter vierzehn?«
Der Typ zog eine verächtliche Miene. »Zeig den Ausweis her oder mach die Biege«, sagte er barsch.
»Nur weil ich Ausländerin bin, was? Dafür könnte ich Sie anzeigen. Rassismus ist nämlich verboten.«
Der Türsteher ließ sich nicht beeindrucken. »Ausweis oder abhauen – wird’s bald?«
Ich bekam ein ungutes Gefühl und überlegte kurz, ob es vielleicht besser wäre, wieder zu gehen. Aber das wäre eine schwache Nummer. Und feige obendrein. Also zupfte ich Tibby an der Jacke. »Nun mach schon
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