Flüsterherz
zusammenmixen können.«
Er spielte mir eine nach der anderen vor. Es waren ziemlich gute Stücke dabei. Langsam entspannte ich mich ein wenig. »Wie weißt du, welche Songs du ineinandermixen kannst?«, fragte ich.
»Man muss gut hinhören«, sagte er. »Auf die Instrumente und vor allem auf den Rhythmus. Die Stücke dürfen sich nicht allzu stark unterscheiden. Der Beat muss passen, das ist das A und O.«
»Und so was kannst du raushören?«
»Klar, kein Problem. Ich hör ja ständig Musik. Manchmal denke ich, dass ich im Hinterkopf ’ne Art Computer hab, der das alles analysiert.«
»Und wie funktioniert das genau mit dem Mixen?«, fragte ich.
»Komm einfach vorbei, wenn du mal zugucken willst. Ich hab zu Hause ein neues Mischpult, das G8 von BB, und zwei gute Plattenspieler von Klinky und …« Es folgte eine technische Aufzählung von Geräten und Markennamen, die ich noch nie gehört hatte, wie zum Beispiel A16, Klinky Klonky, Zoom und Blitzbo … oder so ähnlich …
Ich musste unwillkürlich gähnen. Da saß ich und hörte mir seltsame Namen an, dabei faszinierten mich vielmehr die Hände, die eine Platte nach der anderen auflegten, und ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, in seinen blonden Haaren zu wuscheln.
»Entschuldige«, sagte er. »Für dich ist das wahrscheinlich nicht so spannend. Du kennst die Marken ja nicht.«
»Ich kenne Marken genug: Apple, Fruity Cuties, H&M und Miss Helen für Wimperntusche. Man muss aber die wasserfeste nehmen, die andere schmiert grässlich.«
Er musste lachen und ich auch.
Wir saßen dicht beisammen, und Easy redete in einem fort, erst über seine Musiksachen, später dann auch von sich. Erkam aus Den Haag und seine Eltern hatten sich vor Kurzem scheiden lassen. Mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder war er hierher gezogen.
Während ich zuhörte, legte er wie zufällig den Arm auf die Sofalehne hinter mir und berührte sanft meine Schulter. Seine Nähe machte mich total kribbelig. Und dann dieser Blick! Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle geküsst. Stattdessen sagte ich: »Willst du sehen, was ich dir mitgebracht habe?«
Er nickte, und ich lief die Treppe hinauf, um die Rassel zu holen.
»Als ich die entdeckt hab, musste ich sofort an dich denken.«
Er öffnete das Päckchen, schüttelte die Rassel rhythmisch, lachte und rasselte dann ein paarmal links und rechts an meinem Kopf vorbei. Sein Gesicht war ganz nah.
»Die ist schön«, sagte er. »Vielen Dank.«
Jetzt waren seine Augen direkt vor mir, grün mit goldenen Sprenkeln.
»Danke«, flüsterte er noch mal. Sein Haar duftete so aufregend, dass ich die Strähne, die ihm in die Stirn fiel, einfach anfassen musste. Ich strich sie zur Seite, sie fühlte sich seidenweich an, und meine Finger zitterten leicht, als ich kurz sein Gesicht berührte.
Easy lächelte. Gleich würde er mich küssen … Ich schloss die Augen. In diesem Moment ging die Haustür auf. Sam kam vom Training.
Easy setzte sich rasch wieder gerade hin.
»Ey Mann, du hier?« Sam hob den Daumen. Ich hatte den Eindruck, dass er etwas ahnte. »Na, dann will ich euch nichtbeim Turteln stören. Ich geh duschen!« Und weg war er, die Treppe hinauf.
Easy lächelte mich an, aber der Zauber war gebrochen. Jedes Mal wenn wir einander berührten und unsere Gesichter sich näher kamen, war da irgendein Geräusch, das uns zusammenschrecken ließ.
»Willst du mein Zimmer sehen?«, fragte ich. Genial, Anna! Einfach genial!
Doch als wir auf dem Bett saßen, hörten wir noch mehr Geräusche. Sam kam aus der Dusche, Pa ging pfeifend über den Flur – von Ruhe und Ungestörtheit konnte keine Rede sein.
Ich fragte ihn, ob er seine Freunde in Den Haag nicht sehr vermisse.
»Doch, ein wenig schon, aber wir haben über Facebook weiterhin Kontakt.«
Und dein Vater?
, wollte ich fragen, aber ich ließ es im letzten Moment. Bestimmt fehlte ihm sein Vater sehr, obwohl er kein Wort darüber verloren hatte.
»Du findest hier schnell neue Freunde«, sagte ich. »Mir geht’s gerade ähnlich. Sam meint, dass ich zu oft mit Tibby abhänge und meine anderen Freundinnen vernachlässige. Ich denke, er hat recht: Eine Freundin ist zu wenig.«
»Mir würde eine durchaus reichen.« Easy lachte. Dann senkte er den Blick und fummelte verlegen an der Rassel herum.
»Besuchst du mich bald mal und siehst dir meine Anlage an?«
Jetzt wurde mir doch wieder warm.
»Gern«, sagte ich.
Später brachte ich ihn zur Haustür. »Also, bis demnächst«, sagte
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