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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Dröhnen der brechenden Wellen.
    Trotz Hilarys Angeleno-Status bestand ihre Welt doch nur aus Arbeit, ihrem Haus, ihrem Rosengarten, Arbeit, Filmstudios, wieder Arbeit und dazwischen ein paar schicke Restaurants, in denen sich die Film- und Fernsehleute trafen, um ihre Geschäfte abzuwickeln. Sie war nie zuvor im Yamashiro Skyroom, im Zoo, in der Sternwarte, in den Antiquitätenläden an der Melrose Avenue oder im Tonga Lei gewesen. Das alles kannte sie nicht. Sie kam sich vor wie eine Touristin – oder besser, wie eine Zuchthäuslerin, die nach Verbüßung einer endlosen Strafe, noch dazu in Einzelhaft, die Freiheit wieder genoß.
    Aber nicht allein die Orte, die sie aufsuchten, machten den Tag so wunderbar. Alles wäre wohl halb so interessant und nur halb so nett gewesen, hätte Tony sie nicht begleitet. Er war charmant, witzig, steckte voller Fröhlichkeit und Energie und machte eben diesen schönen Tag noch schöner. Nach den zwei Mai-Tais für jeden verspürten sie Hungergefühle. Sie fuhren zum Sepulveda zurück und in nördlicher Richtung ins San-Fernando-Tal, um in Mel's Landing zu dinieren; sie kannte es ebenfalls nicht. Hier gab es die frischesten und besten Meeresfrüchte, die sie je verspeist hatte. Sie aßen gedünstete Muscheln und redeten über ihre jeweiligen Lieblingslokale, dabei mußte Hilary verblüfft feststellen, daß er wohl zehnmal soviel Lokale kannte wie sie. Sie wußte lediglich über eine Handvoll teurer In-Lokale Bescheid, in denen sich die Großen des Showgeschäfts bewegten. Die versteckten Geheimtips, die kleinen Cafes mit besonderen Spezialitäten, die winzigen, von ihren Inhabern geführten Restaurants mit einfachem, aber köstlichem Essen – ein weiterer Aspekt dieser Stadt – hatte sie nie ausgekundschaftet. Sie besaß Reichtum, hatte ihn bis jetzt aber nie richtig genutzt, jene kleinen Freiheiten noch nicht entdeckt, das Leben nicht genossen.
    Sie aßen viel zuviel Mies-Muscheln und anschließend eine Riesenportion Rotbarbe mit zu vielen malayischen Garnelen. Und außerdem tranken sie zuviel Weißwein. In Anbetracht des vielen Essens erstaunte es Hilary eigentlich, daß sie zwischen den Gängen noch so viel Zeit zum Reden fanden. Und sie unterbrachen den Gesprächsfluß nicht. Gewöhnlich schwieg sie die ersten paar Mal, wenn sie mit einem neuen Bekannten ausging, nicht aber bei Tony. Sie wollte zu allem seine Meinung hören, über Mark und Mindy bis hin zu den Shakespeare-Dramen, von der Politik bis zur Kunst. Menschen, Hunde, Religion, Architektur, Sport, Bach, Mode, Essen, Frauenbewegung, die Witzzeichnungen in der Samstagszeitung – es erschien ihr ungemein wichtig und dringend, seine Meinung darüber und über eine Million anderer Dinge zu erfahren. Außerdem wollte sie ihm mitteilen, was sie über all die Dinge dachte, und obendrein wissen, was er von ihrer Meinung hielt; es dauerte auch nicht lange, da ertappte sie sich dabei, wie sie ihm erzählte, was sie von seiner Meinung über die ihre hielt. Sie redeten ohne Unterlaß, als hätten sie eben erfahren, daß Gott bei Sonnenaufgang alle Menschen auf Erden stumm und taub machen würde. Hilary schien betrunken, aber nicht vom Wein, sondern vom Fluß und der Intimität ihres Gesprächs; sie war berauscht von dem neuen Erlebnis der Kommunikation.
    Vor ihrer Haustür angelangt, erklärte er sich einverstanden, noch auf einen Abschiedsschluck mit hereinzukommen; heute war sie sich sicher, daß sie miteinander schlafen würden. Sie begehrte ihn und wußte, daß er sie auch begehrte. Es stand in seinen Augen geschrieben. Aber zuerst mußten sie das viele Essen wenigstens andauen, deshalb zauberte Hilary für sie beide Creme de Menthe on the Rocks. Gerade wollten sie sich gemütlich hinsetzen, da klingelte das Telefon.
    »O nein!« sagte sie.
    »Hat er Sie gestern, nachdem ich wegfuhr, noch einmal belästigt?« »Nein.«
    »Und heute morgen?« »Nein.«
    »Vielleicht ist er es gar nicht.« Sie gingen beide zum Apparat.
    Sie zögerte, nahm dann allerdings den Hörer ab. »Hallo?« Schweigen.
    »Verdammt!« schrie sie und knallte den Hörer so kräftig auf die Gabel, daß sie sich fragte, ob etwas gesprungen sei.
    »Sie dürfen nicht zulassen, daß er Sie aus der Fassung bringt.« »Ich kann nicht anders«, entgegnete sie. »Er ist bloß ein schmieriger, mieser kleiner Kerl, der mit Frauen nichts anfangen kann. Ich kenne solche Typen. Wenn er je die Chance bekäme, sich mit einer Frau einzulassen, wenn sie sich ihm auf einem

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